VHR Band 383: Draculas Tochter von Carl Dreadstone

In ein paar Minuten würde er die Carfax-Mauer erreicht haben. Sie war - das wußte er - ungefähr hundert Schritt lang. Dann würde er bald die bewohnten Straßen über der Klippe mit ihren winzigen Laternen, Gärten und Häusern erreichen. Doch das schnelle Gehen gehörte nicht zu seinem Beruf. Er sollte sich Zeit nehmen, ein beständiges Tempo einhalten und alles Verdächtige registrieren. Schon seit Jahren liebte Constable Albert Smith diese nächtlichen Streifengänge, bei denen er gemütlich, aber wachsam dahinschlendern konnte. Der Novemberwind strich an den Klippen von Whitby Bay hoch wie ein endloser Schwarm von unsichtbaren Kreaturen der Nacht und des Wassers. Zarter Sprühregen benetzte sein Gesicht, obwohl das Meer eine Meile entfernt war. Schwarze Wolken jagten über den Mond und flohen in die Nacht, noch bevor sie furchterregende Schatten erzeugen konnten. Hinter der Carfax-Mauer rauschte der Wind in den Bäumen, deren Zweige leise krachten und stöhnten. In solchen Nächten hatte er sich immer gefreut, an Carfax vorbeizugehen und sich von den Geräuschen der Bäume betäuben zu lassen. Er hatte sogar einen neugierigen Blick auf das alte Haus hinter dem verfallenen Tor gewagt.
Verfasst von Carl Dreadstone (= John Ramsey Campbell)
Originaltitel: Dracula's Daughter, 1977
Aus dem Englischen übersetzt von Ginny Kilian
Titelbild von Alberto Pujolar
Erschienen am 17.06.1980