Jack Gratus/ Trevor Preston: Der Satansbraten

Das kleine handliche Format und die Phantastische Literatur im Buchformat

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Jack Gratus/ Trevor Preston: Der Satansbraten

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Jack Gratus / (basierend auf dem Drehbuch von) Trevor Preston
Der Satansbraten

Roman
Fischer Taschenbuch Verlag
Deutsche Erstausgabe
Dezember 1972
Originaltitel: The Night Hair Child
Übersetzung: Christel Buschmann
Ungekürzte Ausgabe
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Bad Moon Offline
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Re: Jack Gratus/ Trevor Preston: Der Satansbraten

Beitrag von Bad Moon »

Roman zum Film "Diabolisch" (Night Hair Child/ La Tua Presenza Nuda!/ Diabólica Malicia/ What the Peeper Saw/ Der Zeuge hinter der Wand), eine britisch-italienisch-deutsch-spanische Co-Produktion aus dem Jahr 1972.
"Marcus, der Knabe mit dem Engelsgesicht - Held eines ungewöhnlichen Psycho-Thriller, den Jack Gratus nach einem Bühnenstück von Trevor Preston schrieb. James Kelly verfilmte ihn mit Mark Lester, Hardy Krüger, Britt Ekland und Lilli Palmer." (Klappentext)

Obwohl die Coverabbildung Szenenfotos aus dem Film verwendet, hat der Verlag einen anderen Titel für das Buch verwendet und auch darauf verzichtet einen Hinweis auf den Filmtitel zu geben (so wie z.B. bei "Flucht aus New York" der Roman zum Film "Die Klapperschlange"). Allerdings kam das Buch bereits im Dezember 1972 auf den Markt, der Film hatte seinen deutschen Kinostart erst im Februar 1973, möglicherweise war ursprünglich dieser Titel auch für den Film geplant (oder der Verleih hatte sich noch gar nicht auf einen Titel festgelegt).
Der Klappentext tischt auch ein paar Halb- und Unwahrheiten auf: der Junge Marcus ist keineswegs der Held der Geschichte, der Roman beruht nicht auf einem Theaterstück sondern auf dem Drehbuch, folglich wurde der Film nicht erst produziert als es das Buch bereits gab.

Die Geschichte dreht sich um die 22jährige Elise (Britt Ekland), die mit ihrem (deutlich älteren) Ehemann, dem erfolgreichen Schriftsteller Paul (Hardy Krüger) in einer ländlichen Gegend nahe Madrid wohnt. Während Paul beruflich im Ausland unterwegs ist, taucht unerwartet Marcus (Mark Lester), Pauls 12jähriger Sohn aus erster Ehe, der in England auf ein Internat geht, auf. Er hätte erst eine Woche später, zum Ferienbeginn anreisen sollen, doch angeblich wurde der Schulbetrieb früher eingestellt, nachdem mehrere Schüler an Windpocken erkrankt sind.
Der hochintelligente Marcus gibt sich zunächst distanziert zeigt aber schon bald ein unangemessen zutrauliches Verhalten gegenüber Elise. Nach Pauls Rückkehr verunsichert er Elise mit widersprüchlichen Aussagen und scheint sie gegen seinen Vater ausspielen zu wollen.
Bei einer Party lernt Elise Sophie, eine Freundin von Pauls erster Frau Sarah (die zwei Jahre zuvor an einem durch einen Stromschlag verursachten Herzanfall gestorben ist) kennen. Sophie deutet an, dass bei Sarahs Tod möglicherweise nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein könnte. Nachdem sie herausgefunden hat, dass an Marcus' Schule keineswegs die Windpocken ausgebrochen sind, sondern er, nach einer ganzen Reihe von Vorfällen, von denen der Dekan auch Paul informiert hat, der Schule verwiesen wurde, nachdem er eine Katze zu Tode gequält hatte.
Paul schiebt das Verhalten des Jungen stets auf das Trauma, dass der Unfalltod seiner Mutter ausgelöst hat, zumal es Marcus gewesen ist, der ihre Leiche in der Badewanne gefunden hatte. Zwar gelingt es ihr Paul zu überzeugen, dass Marcus psychiatrische Hilfe braucht, doch als sie selbst von dessen Therapeutin Dr. Viorne (Lilli Palmer) zu ihrer Beziehung zu ihrem Stiefsohn befragt wird erleidet sie einen Nervenzusammenbruch und wird in ein Sanatorium eingeliefert...

Der Roman ist beinahe ausschließlich aus Elises Sicht geschrieben, bis auf das erste Kapitel, in dem wir Sarahs Tod miterleben. In einem, wie ich finde gelungenen, stilistischem Kniff, schwenkt die Erzählweise nach Elises Nervenzusammenbruch scheinbar auf die Sicht einer Mitpatientin, um dann, buchstäblich mitten im Satz, zur Ich-Form zurückzukehren, um ihre Genesung zu signalisieren. Gratus füllt einige Lücken innerhalb der Handlung, wo der Film gelegentlich etwas sprunghaft wirkt, etwa wenn Elise sich urplötzlich in England befindet, um mit dem Dekan des Internats zu sprechen und dann ebenso plötzlich wieder in Spanien ist. Auch scheint sie im Film völlig grundlos auf dem Dachboden herumzustöbern, um dann eine Kiste mit Kleidung von Sarah zu finden (die später natürlich leer ist), obwohl Paul behauptet hatte, dass er selbst Sarahs gesamte Garderobe entsorgt hat. Im Buch wird sie auf die Kiste aufmerksam, als sie gemeinsam mit der Haushälterin Mrs Boaz ein Möbelstück einlagert. Überhaupt taucht Mrs Boaz im Roman mehrmals auf, wird im Film aber nur namentlich (Consuela) erwähnt.
Wirklich interessant ist, dass der Roman ein anderes, mehr oder weniger offenes, Ende hat als der Film, bzw. die letzte Minute an Filmhandlung ausspart. Ich konnte, trotz intensiver Recherche, nicht herausfinden, ob dies nur in der deutschen Ausgabe der Fall ist oder auch in der Originalausgabe, jedenfalls findet sich auf der Copyrightseite der Hinweis 'Ungekürzte Ausgabe'. Es ist durchaus möglich, dass dieses Ende ursprünglich auch für den Film vorgesehen war und der jetzige Schluss erst später dazugeschrieben wurde, um mit einem Schockeffekt abzuschließen. Ebenfalls nicht auszuschließen ist, dass das tatsächliche Ende absichtlich weggelassen wurde, um die Überraschung nicht zu spoilern, für die damalige Zeit aber nicht sehr wahrscheinlich.

Zielte die Werbung für den Film (damals wie heute) auf das Giallo / Psychothriller-Publikum, entpuppt sich die Story doch eher als psychologisches Familiendrama, mit spärlich eingestreuten Horrorelementen und einer Vorliebe für, auf Skandal getrimmte, Nackt- und Sexszenen. Bestes Beispiel: in einer Traumsequenz (möglicherweise eher eine Wahnvorstellung), legt sich Elise nackt zu Marcus ins Bett, während Paul lächelnd zuschaut.
Für Regisseur James Kelly (Kelley) war dies die zweite und letzte Regiearbeit, nach dem 1970 erschienenen "Der Keller" (The Beast in the Cellar). Er war hauptsächlich als Drehbuchautor für Film und Fernsehen tätig.
Zahlreiche Quellen erwähnen Andrea Bianchi als Co-Regisseur und Co-Drehbuchautor, tatsächlich ist er sowohl auf dem italienischen, als auch dem spanischen Kinoplakat als alleiniger Regisseur aufgeführt.
Denkt man dann an die doch etwas gewollt provokanten Szenen zwischen Stiefmutter und -sohn hier und erinnert sich dann an Bianchis wohl bekannteste Regiearbeit "Die Rückkehr der Zombies" (Le Notti del Terrore/ Zombi III) von 1981, in dem eine übertrieben ödipale Mutter/ Sohn Beziehung zu einer bizarren... Brustreduzierung führt, fragt man sich, ob er hier Inspiration gefunden hat oder er es war, der die Thematik erst in den Vordergrund gerückt hatte.
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