Fledermaus Band 613: Die "Spurlos-Täter"

[Talis]

"Die Presse schreibt die Affäre von Barrington Hill mit Einschränkungen den 'Spurlos-Tätern' zu. Wie ist Ihre Ansicht, Harry?"
"Es deutet mehr darauf hin als dagegen spricht, daß es sich - obwohl wir diesmal eben doch Spuren fanden - um dieselben Individuen handelt, auf deren Konto die sich in letzter Zeit geradezu erschreckend häufenden Eigentumsdelikte kommen. Augenfällig ist auch im Fall Monroe, daß die Täter genauestens Bescheid wußten. Auch bei den übrigen Geschädigten kannten sie die schwachen Stellen des Objekts. So beispielsweise bei dem Juwelier Tacoma die Tatsache, daß der benachbarte Zahnarzt Redmiles nebenan nur seine Praxis hatte, aber ganz anderswo wohnte. Also gingen sie durch die Wand und nahmen in der Nacht die von innen ungesicherten Schaufenster des Juweliers aus. Im Fall der Privatbank "Freeman & Co.' wußten sie, daß ein Luftschacht, vor dem sich ein Ventilator befand, nicht mit in die Armierung der Stahlkammer einbezogen war. Helen Terry, eine mehr als sechzigjährige Millionärswitwe, machten sie um Schmuck und Mäntel im Werte von rund zweihunderttausend Dollar ärmer, was nur deshalb iheglich war, weil sie genau wußten, die alte Dame hielt sich zum Bridgespielen bei drei mit ihr befreundeten Schwestern auf. Den Kunsthändler Ramon Garcia... aber weshalb soll ich Ihnen das alles im einzelnen berichten? Ich würde Stunden brauchen, um alle Coups der letzten zwei Monate aufzuzählen, die immer die gleiche Handschrift verraten - die Handschrift der sogenannten Spurlos-Täter. Ich frage mich, und mein Kollege Wilson vom zuständigen Dezernat zergrübelt sich seit Wochen den Kopf darüber, woher die Bande ihre Informationen bezieht. Es können nicht zufällige 'Annoncen' sein. *) Dagegen spricht die Häufung der Delikte, ihr sprunghaftes Anwachsen in den letzten acht Wochen."
"Dann hat ein cleverer Gauner vielleicht eine Art Annoncen-Center gegründet", bemerkte Norton Kirby, "und das hat sich herumgesprochen." Obwohl er lächelte, merkten Quinn und Cummings, daß es ihm durchaus ernst war.
"Das könnte man fast glauben", sagte Cummings. "Und noch etwas ist ungewöhnlich an diesem ganzen Komplex von Einbrüchen und Diebstählen: Nirgendwo ist etwas von der Beute der Bande gesehen oder einem Hehler angeboten worden. Das wissen wir durch unsere V-Männer in der Unterwelt so gut wie sicher. Wo bleibt also die Beute? Wertvolle Gemälde, teure Pelzmäntel, Schmuckstücke, von denen manche hunderttausend Dollar und mehr kosten, goldene Eßbestecke - das alles sind doch Dinge, die man nicht stiehlt, um sie zu horten, sondern zu Bargeld zu machen. Bleibt die Bande nicht wirklich darauf sitzen, was gegen jede Wahrscheinlichkeit ist - wie bringt sie all diese Dinge so an den Mann, daß kein Käufer Verdacht schöpft?"
*) „Annoncen" sind Tips — Hinweise auf günstige Gelegenheiten für Einbrüche und schwache Stellen des Objekts. Sie werden in Verbrecherkreisen gehandelt wie Wertpapiere - gegen festen Preis oder einen Anteil an der Beute.


Die "Spurlos-Täter"
- Verrat der Brownies -

von George P. Gray (= Gudrun und Karl Voigt)

[Talis]

Der Zeichner Theo Thomas hat für diesen Fledermaus-Roman auf den Seiten 12, 38 und 46 drei Innenillustrationen gezeichnet. Dies ist eine davon.