Fledermaus Band 657: Tote morden nicht
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Talis Offline
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Fledermaus Band 657: Tote morden nicht

Niemand beachtete ihn. Alle Augen verfolgten die geschmeidigen Bewegungen Dorothys.
Der Mörder erreichte eine der schlanken maurischen Säulen, die rund um den Raum verteilt, die Kuppeldecke trugen. Von dem Barbesitzer trennten den Mörder nur noch zwei Schritte.
Da deutete die Rothaarige auf einen freien Stuhl und forderte McIntosh auf, neben ihr Platz zu nehmen. Er schien sich ein wenig zieren zu wollen, doch dann pflanzte er seinen massigen Körper auf den freien Sitz. Der Mörder schob sich näher heran. Kurz darauf stand er dicht hinter dem Opfer. Seine Knie berührten fast dessen Stuhllehne.
Während alle Anwesenden ihre Blicke auf die von rotem Licht übergossene Tänzerin richteten, starrte der Mörder nur auf den feisten Nacken des Mannes vor ihm. Seine Augen glitten prüfend vom Kragen des nachtblauen Smokings abwärts und verharrten dann auf der Stelle, wo sich der dunkle Stoff über den mächtigen Schulterblättern spannte.
Im violetten Halbdunkel der schwülen Barbeleuchtung ließ er diesen Punkt nicht mehr aus den Augen, während er nun bedächtig in die linke Innentasche seines Jacketts fuhr. Ein leichtes Heben des rechten Armes, das Auge fest auf die Stelle unterhalb des linken Schulterblattes gerichtet - dann ein schneller kräftiger Stoß.
Der Mörder spürte den kurzen Widerstand, das leichte Knirschen, das sich von der Klinge in seine Hand übertrug. Dann war alles vorüber.
Der plumpe Körper des Nightclub-Besitzers sackte kaum merklich zusammen. Aus dem breiten Rücken ragte der dunkle Knauf des Dolches, auf dem nachtblauen Stoff des Smokings kaum wahrzunehmen.
Als sich Sekunden später die Hände der Gäste zum begeisterten Beifallssturm regten, als sich Dorothy beim Tusch verbeugte, da rutschte die Hand des Toten von der Tischplatte. Sie hing ringverziert an der Seite des schwergewichtigen Mannes herunter wie ein Fremdkörper. Der Kopf mit dem sorgfältig gescheitelten Haar hatte sich vornüber geneigt. Es sah aus, als schliefe Robert McIntosh.
Delony trat inzwischen langsam in den Vorraum, durchquerte ihn und schritt hinaus in die Kühle der Nacht. Der Kies knirschte unter seinen Schuhen, als er sich jetzt der Straße zuwandte und ein Taxi heranwinkte.
Mitten in das Klatschen der wild applaudierenden Menge fuhr der schrille Schrei einer Frauenstimme. Die rothaarige Diva war aufgesprungen. Entsetzen entstellte die verlebten Züge. Die Hälse der anderen Besucher reckten sich neugierig.
Als man den Tod des Barbesitzers bemerkte, saß der Mörder schon in einem Taxi, das ihn zur City brachte. Er lehnte sich zufrieden in die Wagenpolster zurück und lächelte vor sich hin. Es war das verzerrte Lächeln eines kranken Mannes.
Tote morden nicht
- Kommt Zeit - kommt Rache -
von Jerry Ford (= Karl-Heinz Hackmann)