Friedhof der Verdammten
von Michael M. Thurner
Dieses mal spielt die Zweithandlung der Geschichte im alten Ägypten und behandelt augenscheinlich keine bekannten Figuren des Hauptplots. Der Seelenfresser-Dämon Ammut labt sich an Kindern, bis er eine Plage für die Gegend wird. Durch seine Zügellosigkeit geht ihm langsam die Nahrung aus. Deswegen verschafft er sich eine Stelle als Berater des Pharaos und stachelt ihn zu Eroberungszügen auf. Die anderen mächtigen Dämonen, die in Ägypten als Götter verehrt werden, sind davon nicht begeistert. Vereint gebieten sie ihm unter als Apophis als Sprecher Einhalt. Ammut fügt sich scheinbar. Er hält sich zurück, baut in den folgenden Jahren aber seine Macht aus, bis er Apophis in einer großen Schlacht töten kann. Was für eine Geschichte. Michael thematisiert einen großen Zeitraum auf zu wenig Seiten. Dazu hätte ich gern einen eigenen Band gehabt. Man hat das Gefühl, solange Coco nichts damit zu tun hat, sind die Bücher ihr Geld wert.
Weiter geht es mit Ammun im antiken Griechenland. Inzwischen ist er in den dortigen Pantheon gewechselt und regiert ebenso als mächtiger Gott. Als Figur ist einfach zu stark geworden, was Michael auch so sieht. Er lässt Apophis wiederkehren. Götterdämonen können nicht sterben, oder so. Entspringen die beiden einer anderen Dämonenart als die neuzeitlichen Dämonen? Oder sind sie gar mit den rohen Urdämonen aus dem Erdkern zu vergleichen? Wenn solche Wesen selbst durch den Tod nicht aufzuhalten sind, müssen sie extrem mächtig sein. Diese reine Vergangenheitshandlung fand ich bis zu ihrer Verknüpfung in die Gegenwart gut geschrieben und unterhaltsam.
Weniger die Reise von Nocturno und Coco. Die beiden haben das Dorf der Stille verlassen und setzen ihren kraftraubenden Weg fort. Nocturno offenbart an der Stelle, dass er Coco nur als Begleitung mitgenommen hat, weil er von ihren starken Hexenkräften zehren muss, um sein Ziel zu erreichen. Das tut er auch, ohne dass Coco etwas dagegen tun könnte, bis sie schließlich stirbt. Komisch, vor 3 Geschichten meinte er noch, er habe Coco mitgenommen, weil ihre Fähigkeiten als gutherziges Wesen der Schlüssel sind. Damals behandelte er Coco auch wesentlich respektvoller, was eine angenehme Abwechslung zum üblichen „Coco wird von ekelhaften Machodämonen wie Dreck behandelt“ war. Jetzt ist auf einmal alles anders. Oder eher nicht anders, Nocturno geht mit Coco wie jeder andere Männerdämon auch um. Wie lahm und vor allem ein Bruch in der Figur.
Dann erwacht Coco wieder. Sie lebt. Ohne Erinnerung und in einem Sarg erstarrt. Wo sich sogleich widerliche Dämonen an ihr vergehen. Da wird sie schonmal bei vollem Bewusstsein aber ohne Gegenwehr von vier Monstern gleichzeitig vergewaltigt. Schön bildhaft und widerwärtig platt geschrieben. Über diesen Schandfleck der Serie kommen wir wohl nie hinweg. Immerhin bleibt es bei der einen Szene.
Die junge Hexe wird im Sarg in eine Gruft transportiert, wo sie von ihrer Familie nach Wien beschworen wird. Lydia manipuliert das Ritual, sie landet wieder hier. Dafür kehren ihre Erinnerungen langsam zurück. Die Beschwörung in der letzten Geschichte aus Sicht ihrer Familie und jetzt aus ihrer Sicht zu schreiben ist eine nette kleine Idee der Autoren. Solche Kniffe heben die Serie vom Einheitsbrei ab ohne zu krass zu sein, bitte mehr davon.
Als nächstes trifft Coco auf Zakum. Schön dass der alte Knacker nicht vergessen wurde. Die Geschichte hat ihre kleinen Perlen zu bieten, zugegeben. Weniger schön ist es, dass Coco nun etwas ungehalten ist, weil Zakums Diener ihr „übel mitgespielt“ haben. Ein ganz klein wenig untertrieben für eine Gruppenvergewaltigung.
Mit dieser Szene beginnt dann auch der unvermeidliche Abstieg des Plots für mich. Die alte Regel „keine zwei guten Geschichten in einem Band“ darf ja nicht gebrochen werden. Was folgt ist die Erfüllung meiner negativen Erwartung zu einem völlig unsinnigen Coco-Plot.
Als nächstes meldet sich nämlich Nocturno und offenbart seine ganze Geschichte. Wir erinnern uns. Erst war er der Anführer der Rebellion gegen Asmodis. Dann war das nur eine Scharade, um Coco zu testen. Stattdessen verlangt er von Asmodis den uneingeschränkten Zugang zu drei Orten auf der Erde. Bei einem davon befindet sich eine mächtige Waffe, die er möchte. (Ob wir jemals von den anderen beiden Orten lesen werden oder die Idee verworfen wurde?) Dann plötzlich befindet sich in Schweden nicht die Waffe, sondern nur der Übergang in eine Dimension, wo sich die Waffe befindet. Dann wieder befindet sich in der Dimension keine Waffe, sondern sie ist nur ein Weg zu Nocturnos Ziel, was auch immer das sein soll. Völlig verworren und ohne Konzept.
Nun offenbart Nocturno, dass er ein verbannter Dämon aus dem centro terrae ist. Uns Lesern als Ammut bekannt. Er möchte wieder dorthin zurück und die bisherigen Stationen ihrer Reise waren nur Ebenen zum Erdinneren. Ich bezweifle, dass die US-Ostküste eine Ebene auf dem Weg zum Erdkern ist. Oder das Dorf der Stille, das Georg betreten konnte. Nocturns bisherige Charakterisierung passt auch überhaupt nicht zu dem, wie die Urdämonen damals beschrieben wurden, als Coco im Merlin-Plot schon einmal auf diese mächtigen Wesen getroffen ist. Zakum und Letum werden ebenso als diese Dämonenart beschrieben. Letum ist nämlich Apophis. Und Coco muss Nocturno jetzt unbedingt ins centro terrae bringen, weil das Schicksal der Schwarzen Familie davon abhängt. Nocturno hat jahrtausendelang auf der Erde gewandelt, ohne dass irgendwas schreckliches passiert ist und auf einmal muss alles ganz schnell gehen, sonst gibt es das totale Chaos?
Die junge Hexe hat aber erstmal andere Sorgen, denn Letum greift sie und Nocturno mit einer Armee aus Geistern und Wiedergängern an, um Nocturno zu töten. Auch das passt mir nicht. Erst werden die beiden als gleichstarke Gegenspieler beschrieben, die seit Jahrhunderten ehrenhaft ein kompliziertes Spiel miteinander spielen. Und dann hassen sie sich bzw. Letum hetzt stumpf Welle um Welle an Zombiemonstern auf seinen Kontrahenten. Wie feinsinnig. Machen wir es kurz, Coco erhält dann eine magische Patrone mit der sie auf Letum schießt und ihn schwächt. Nocturno stopft dessen Seelenessenz in ein Stundenglas und gibt es Coco zur sicheren Verwahrung mit. Und weiter geht die Reise ins Erdinnere.
Versteht mich nicht falsch. Wäre das der erste Auftritt von Nocturno, ich fände ihn sehr interessant. Würde die Geschichte von Ammut für sich allein stehen, sie wäre rundum gelungen. Die Verbindung passt überhaupt nicht. Nocturno soll der Ammut aus dem alten Ägypten sein? Ein wilder Urdämon, der die ganze Zeit nur zurück in seine Heimat möchte? Niemals! Was für ein Quatsch! Ein Scherz der Autoren! Leider nicht. Bis hierhin bemängelte ich, dass der Hauptplot ständig umgeändert wird. Wie die anderen zuvor in den Dreck gefahren wurde. Aber ich laß weiter. Jetzt würde ich gern wieder mal eine Pause einlegen, weil die Autoren etwas schreiben, was ich als „Frechheit“ bezeichnen möchte. Nur als Handlungshintergrund, geschrieben war das von Michael M. Thurner, abgesehen von der Vergewaltigung, solide bis sehr gut. Deshalb werde ich die Serie auch ohne Unterbrechung weiter verfolgen, hoffentlich bleiben die Nebenhandlungen auf ihrem bisherigen Niveau. Was die Reise ins Erdinnere über mehrere Ebenen angeht ahne ich böses. Man wandert einfach von einem „Schauplatz der Woche“ zum nächsten, bis das Finale kommt.

:baff: :baff: :baff: :baff: (knappe 6 von 10 Freaks). Größtenteils ist der Roman wirklich gut. Aber die beiden Dinge die mich stören wiegen umso schwerer. Auch mit viel Liebe kann ich nicht mehr Punkte geben.
PS. Ich erinnere mich an die alte Zaubermondseite. Damals noch mit Meinungen und Sternevergabe direkt zu den Bänden. Schön waren die zu diesem Handlungszeitpunkt alle nicht, aus Spoilergründen habe ich mir nur die Sternchen angeschaut und nicht die Texte durchgelesen. Dann kam kurz darauf die neue Seite und die Wertungsektion war plötzlich verschwunden, alle bisherigen Meinungen gelöscht. Tja, dazu kann sich jeder selbst seine Verschwörungstheorie überlegen. Vielleicht täuscht mich meine Erinnerung auch.