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VHR Band 266: Das Hotel des Satans von Cedric Balmore

Verfasst: Fr Mai 04, 2012 1:21 pm
von Habibi

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Ihm war kalt. Die Kälte kam geradewegs aus seinem Herzen und hing nicht mit der Temperatur zusammen, die in der überheizten Hotelhalle herrschte. Trotzdem war Roger Simpsons wachsendes Frösteln zweifellos auf seine Umgebung zurückzuführen, auf die abgetretenen Teppiche, deren Muster kaum noch zu erkennen war, auf die traurig in ihren Töpfen dahinwelkenden Zierpalmen, auf die düster- verschlissene Einrichtung insgesamt, und nicht zuletzt auf die beiden männlichen Gäste, die völlig reglos in alten, schweren Sesseln saßen und wie ausgestopft wirkten. Wie Tote, dachte Roger Simpson. Er strebte auf den Rezeptionstresen zu, stoppte und musterte das Schlüsselbrett, das dahinter an einer Wand hing. Er entdeckte, daß sich in den Fächern für eingehende Post nicht ein einziger Brief befand. Er schlug mit der flachen Hand auf die antiquiert wirkende Klingelglocke, die einen hässlichen, blechernen Ton von sich gab. Roger blickte über seine Schulter. Die beiden Männer in ihren Sesseln rührten sich nicht. Sie starrten aus scheinbar blicklosen Augen ins Leere. Roger hieb erneut auf den Knopf. Er tat es betont schwungvoll. Es schien, als wollte er mit einer besonderen Energieleistung die aufsteigende Furcht bremsen, die von ihm Besitz zu ergreifen drohte. Eine Tür klappte. In dem diffusen Dunkel, das hinter dem Tresen herrschte, erschien ein knochiger, hochauf geschossener Mann von schwer bestimmbarem Alter. Der Mann trug einen schwarzen Anzug und eine lose gebundene Schleife, die nicht viel kräftiger als ein solider Schnürsenkel war.


Verfasst von Cedric Balmore (= Hans E. Ködelpeter)

Titelbild von Vicente Segrelles

Erschienen am 14.03.1978


Verfasst: Fr Jun 21, 2019 7:58 pm
von woodstock
Zwar ist dieser Roman etwas altbackend aber hat trotzdem seinen Reiz. Mir hat er gefallen.

++++

Verfasst: So Dez 22, 2024 10:16 pm
von Olivaro
Das Hotel, seine Bewohner und das Umfeld erinnern mitunter an den Film noir, und neben den Wendungen quasi am Ende jedes Kapitels, die so typisch sind für diesen Autor, ergibt sich ein weiterer stimmungsvoller und eleganter Gruselroman, bei dem lediglich Mr. Bolo mit seinen Initialen etwas lächerlich wirkt. Das Ende lässt eine latente Bedrohung zurück, die eine mögliche Rückkehr der Antagonisten andeutet; einen entsprechenden Folgeroman gab es jedoch nie im VHR.