der Inhalt wurde hier schon ausführlich besprochen, ich springe gleich mal direkt zu meinem ☠ Fazit ☠
wieder eine sehr dichte Geschichte, es passiert vieles, und doch habe ich den Eindruck, wir bewegen uns nicht gradlinig sondern in Spiralenbewegung vorwärts. nur langsam erschließt uns Herr Weinland den Hintergrund der Vorgänge.
der Autor flicht regelmäßig Rückblenden ein, und erklärt in wenigen Sätzen was sich zugetragen hat. er baut das ganz natürlich in den Fluss der Geschichte ein, so das es mich auch nicht stört, obwohl ich die Geschichte ja schon kenne. es wirkt jedenfalls nicht so wie bei seinem Kollegen Ian Rolf Hill, da hat man das Gefühl, der nimmt mal eben ein Lexikon zur Hand und zitiert für den Leser eben ein paar Absätze.
in den Szenen mit dem Voodoo-Priester lernen wir die Kreativität des Autors kennen, was brutale Grausamkeiten betrifft; das Androhen vom Abschneiden der Augenliderhäute ist da nur eine Stufe von vielen hinab in den Folterkeller des Wahnsinns. auch der body count beim großen Showdown ist nicht ohne, und die Leichen sind sämtlich aufs Übelste zugerichtet. wie lässt Herr Weinland im Folgeroman jenen Autoren denken, um dessen Geschichten sich alles dreht: "Auch bei Bluttaten war er oft über die latent in ihm schlummernde Lust an Gewaltorgien entsetzt; zugleich wusste er, dass seine Leser genau solche ausufernden Exzesse von ihm erwarteten."
interessant finde ich, dass auch Kelan nicht alles weiss, und sich über neue Erkenntnisse überrascht zeigt:
- so erstaunt ihn zB der Effekt, dass die Zeichen auf Thibaults Haut (oder besser Hülle?) zu wandern beginnen, wenn sie vom Licht seines Amuletts beschienen werden;
- er hat keine Ahnung, über welche Gabe Thierry verfügt, und lernt es durch trial & error;
- er kann mit dem Phänomen der steinernen Flut nicht umgehen; etc.
wir erfahren nebenbei, dass Kelan in ständigem Austausch mit Leonardo, seinem "Ziehvater" steht, und er sich dadurch all dessen Wissen aneignen konnte, einschließlich alles über den Orden und das Amulett, das nun von seinem Nachfahren Zamorra - für Kelan - entweiht wurde und widernatürlich eingesetzt wird. Leonardo ist zu Kelans schwarzen Idol mutiert.
auch gibt es eine Szene, in der Kelan Thibault als "Geist der Vergangenheit" beleidigt, und der daraufhin aufbegehrt und Kelan bittet, ihm wenigstens seine Würde zu lassen, oder das, was davon noch da ist. dieses Aufbegehren berührt Kelan auf eigenartige Weise. trotz der Jahrhunderte und all des Bösen, das die beiden angerichtet haben, lebt offenbar noch ein Funke Menschlichkeit in ihnen. und später lässt der Autor Thibault sinnieren, warum Kelan als einziger seine menschliche Form beibehalten hat, alle anderen Ordensmitglieder sind ja mit ihren Amuletten verschmolzen und so zu unverwüstlichen Silberrittern geworden. nichts ist bei Herrn Weinland Zufall, so denke ich, zu diesem Thema kommt in den folgenden Geschichten noch was nach.
sprachlich wieder top, wobei ich noch nicht durchschaut habe, nach welchen Kriterien der Autor Klammern und Bindestriche einsetzt, Beispiel: "Pure (dunkle, abseitige) Lust!". und natürlich wieder Schachtelsatz galore... auch das Klischee "das musst du dir selbst ansehen", das wir eigentlich aus Filmen kennen, um die Spannung künstlich zu verlängern, setzt er hier ein: "Aber lasst es uns abkürzen", berichtet der Mönch an Zamorra, dass er etwas entdeckt hat, "Es ist selbsterklärend. Wenn ihr mir folgt, führe ich euch hin." ich könnte es auch gleich sagen, aber hej, warten wir mit der Enthüllung auf die nächste Spalte!
ein paar Formulierungen, die mir besonders gut gefallen haben:
- die traumatischen Bilder schienen sich wie mit Widerborsten in Thierrys Seele gebohrt zu haben
- er suchte das Lächeln, zu dem er als Knabe noch fähig gewesen war, und als er es fand, schenkte er es Thierry
hat mir sehr gut gefallen, kriegt von mir 5 von 6 möglichen Punkten.
der russische Fotograf Vladimir Mulder führt hier sein "Tagebuch eines Jägers" :
https://vmulder.livejournal.com. unser Tibi dürfte eines seiner zahlreichen "unterirdischen" Fotos auf
https://www.shutterstock.com/de/g/mulde ... terirdisch sein. da wir uns viel in den Gewölben des Zamorra'schen Schlosses bewegen, durchaus passend.