Habe ich da einen Roman übersprungen? Am Ende des letzten Bandes ist unglaublicher Weise doch irgendwie ein Kinodate mit Andreas‘ Callcentermitarbeiterin Johanna zustande gekommen. Jetzt sind die beiden mit Nachtsichtgerät und EMP auf waschechter Geisterjagd. Ich dachte ja erst, die beiden spielen ein Videospiel, aber die Szene ist echt. Es war im ersten Band nie etabliert, dass Andreas gern aktiv Geistesrichtungen nachgeht. Er schaut als Filmnerd viel Gruselfilme, aber das war es. Und es ist kein Hobby, sie werden von Leuten angeheuert, die Probleme mit Gespenstern haben. Scheiße, nach dem ersten Band sollte Andreas doch gerade wissen, dass Geister kein Zuckerschlecken sind, sondern je nach Art auch etwas lebensbedrohliches auf sie warten könnte.
Andreas soll nun endlich Johannas Eltern kennenlernen. Dafür spielt Johanna ihm vor, dass sie einen weiteren Geisterjagdauftrag haben und sagt ihm dann während der Fahrt, wohin es wirklich geht. Andreas sitzt nun überfordert, unrasiert und im Nerdshirt im Wagen. Es wird eher als humorige Szene dargestellt, ich finde so eine Aktion jedoch absolut übergriffig und eine „Red Flag“, wie die jungen Leute heutzutage sagen.
Der eigentliche Fall der Woche hat noch nicht einmal angefangen und ich habe nach dem ersten Heftviertel schon viel Leselaune verloren. Für diese Subserie darf man das Medium Gruselroman wohl nicht zu ernst nehmen und muss sich eher über die unangenehmen Situationen freuen, in die Nerd Andreas schlittert.
Bei Johannas Eltern erfährt Andreas von einem weiteren Spuk. Eine alte Drud kommt die Frauen im Dorf nachts besuchen und erzählt ihnen, dass sie ihre Kinder mitnehmen möchte. Man könnte jetzt offen ansprechen, dass man als neues Geisterjägerduo da vielleicht helfen kann. Oder heimlich Kameras im Schlafzimmer der Eltern aufstellen und sie ungefragt filmen. Johanna wird mir immer unsympathischer. Nerd Andreas hat in dieser Beziehung leider nicht die Hosen an und kommt mit seinem Einwand nicht weit, dass sowas nicht gerade die feine Art ist.
Auf dem Videomaterial des Elternschlafzimmers ist am nächsten Tag nichts. Aber Johannas Freundin Lena hatte Besuch von der Drud. Und es gibt im Dorf eine Alte, die jeder nur „die Hexe“ nennt. Neuerdings hat sie ein kleines Mädchen dabei. Nur ihre Enkelin oder ein entführtes Kind?
Lena wird in der Nacht tatsächlich von irgendetwas besucht. Zum Glück für Andreas greift es bei der Konfrontation nicht an, sondern verschwindet. Und um die alte Dorfhexe kümmert sich eine Jugendgruppe selbst. Sie wird von ihnen zu Tode geprügelt. Da nimmt die Sache ernstere Ausmaße an und es wird ein Fall für die richtige Polizei. Von dem kleinen Mädchen, das die Alte bei sich hatte, fehlt jede Spur. Johannas eigener Bruder war einer der Drahtzieher und wird verhaftet. Aber vielleicht war die Alte wirklich die Drud und jetzt ist Ruhe. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Dieser düsterere Abschnitt des Hefts hat mir wirklich gut gefallen. Schreiben kann Michael Blihall. Natürlich ist der Spuk nicht so einfach beendet und die Jugendlichen haben eine arme alte Frau auf dem Gewissen.
Andreas hat dann eine hervorragende Idee. Wie beim Wolf von Rotkäppchen legt er sich in Lenas Bett und wartet bis die Drud ihn heimsucht, weil sie ihn für Lena hält. Aus seinem Filmwissen weiß er, dass Druden Kinder entführen, um sie totzudrücken. Also verspricht er ihr etwas Besseres zum Drücken, als so ein schnödes Kind. Was genau sagt er nicht, aber die Drud ist sofort dabei und steht am nächsten Tag vor der Tür, um den Handel abzuschließen. Und es ist niemand anderes als Johannas Mutter. Die Lösung des Falles ist eine große Familientragödie, in der auch andere aus Johannas Familie drinstecken. Es geht um Vergewaltigung, ein minderjährige Mädchen und viel aufgeladene Schuld. Da fühle ich mich gleich wie bei einem anderen Autorenkollegen. Weil die Drud Johannas Mutter ist, packt sie aus und lässt mit sich Reden, lieber ein Kaninchen totzudrücken als Lenas Tochter. Da haben die Helden aber Glück, eine völlig fremde Drud hätte vielleicht nicht so reagiert und der Deal wäre geplatzt. Ich weiß jetzt nicht, was an einer Kaninchenseele besser ist als an einer Kinderseele. Ihr Fluch ist damit jedenfalls gebrochen. (edit: Rückblickend betrachtet war es so die absolut richtige Entscheidung, Johannas Eltern zu bespitzeln und nicht offen anzusprechen. Das konnten die Figuren zu dem Zeitpunkt aber nicht wissen und es entschuldigt Johannas Handeln für mich nicht)
Ich werde mit Andreas Brauner als Protagonist echt nicht warm. Von Held kann man nicht sprechen. Das soll er gar nicht sein, sondern der nerdige Normalo von Nebenan. Deshalb geht es auch diesmal nicht im direkten Kampf gegen ein bösartiges Monster. Die zweite Hälfte des Romans ist eher eine tragische Spuk-Geschichte und für die einzige Tote im Heft ist nicht die Gegenspielerin verantwortlich, sondern die aufgestachelte Dorfjugend.
Neu dabei ist Johanna, die Freundin von Andreas. Was, Freundin? Ja, dieser Roman spielt sieben Monate nach dem letzten und in der Zeit ist einiges passiert. Andreas und Johanna haben sich einen Geisterjagdverein aufgebaut und untersuchen jetzt für Auftraggeber Spukphänomene. Das passiert einfach (oder ist einfach passiert) und wird mir nicht gut genug aufgebaut. Es fühlt sich so an, als hätte ich einen Roman übersprungen, in dem das organisch geschieht. Andreas hat auch mächtig Glück, dass Autor Michael Blihall die beiden nur an harmlose Dinge lässt und sie bei der Geisterjagd nichts mit echten Höllendämonen oder blutrünstigen Werwölfen zu tun bekommen. Wie gesagt, für mich passt das nicht. Genau so wenig wie in der ersten Hefthälfte Johanna für mich passt und sie mehrere Dinge bringt, die für mich einfach nicht gehen und sie sehr unsympathisch dastehen lassen. Alles unter dem Deckmantel des Humors. War doch nur ein Spaß.
Da kann ich als jetzt mit beiden Hauptfiguren nichts anfangen. Mit dem Humor und den Nerd-/Filmanspielungen ebenso wenig. Klingt erstmal nicht schön. Der Rest passt aber. Gerade als der Roman in der zweiten Hälfte endlich etwas ernsthafter wird. Richtig zur Sache geht es wie gesagt nicht, weil Normalo Andreas das anders als „richtige“ Spukjäger nicht überleben würde, aber gut. Ich meine, die Musgrave-Romane von Morgan D. Crow sind auch sehr ruhig und kommen ohne viel Action und Blutvergießen aus. Und Adelsdame Eliza sowie Professor Harker sind keine bis an die Zähne bewaffneten Frontkämpfer gegen das Böse. Trotzdem sind die beiden in ihrer Arbeit professionell und ich kann sie in ihrer Rolle als „Geisterjäger“ problemlos ernst nehmen. Dagegen ist Andreas ein echter Amateur und weil das der Stil dieser Subserie ist, wird sich das wohl nicht stark ändern.
Die zweite Hälfte des Abenteuers hat die Geschichte für mich echt gerettet. GUTe

:baff: :baff: :baff: :baff: (6 von 10 Totenköpfen) Aktuell ist Andreas Brauner eher nichts für mich, weil ich diese Reihe in ihrem Stil und mit diesen beiden Hauptfiguren nicht wirklich ernst nehmen kann. Aber die Schreibe von Michael Blihall ist gut und wenn es mal stellenweise erwachsener wird, fühle ich mich ordentlich unterhalten. Man muss ja nicht absoluter Fan von jedem Geisterjäger sein. Dafür habe ich die beiden Grusel-Isaacs.