Puh, der Text ist wieder länger geworden als nötig.
So viel vorab. Wer Dark-Fan ist oder gerne mal in einen dieser berüchtigten "modernen Romane des Altmeisters" reinlesen möchte. Nicht spoilern lassen, sondern das Heft kaufen.
Harrs Stahl und Dagmar Hansen gehen auf eine Beerdigung und sind extrem früh dran. Sie riechen einen Verwesungsgestank und wie man es vom Altmeister kennt wird erstmal seitenlang über den Leichengeruch diskutiert, bevor endlich was passiert. Harry folgt dem Gestank in ein Nebengebäude des Friedhofs, wo vier Sargträger an einem Tisch sitzen.
[COLOR=bbcf83]Bis hierhin schien alles normal, und Harry hätte sich auch keine Gedanken darüber gemacht. Doch da gab es noch etwas, und das war irgendwie absurd. Auf dem Tisch lag eine nackte männliche Leiche. Und sie sah nicht so aus wie Sekunden nach ihrem Tod. Man hatte sich zweifellos an ihr zu schaffen gemacht, denn jetzt sah Harry auch die Messer in den Händen der Männer.[/COLOR] Ah ja, die berühmte Heimlichkeit der gerissenen Ghouls. Irgendwie bemerken die Typen ihn nicht und er schleicht sich zurück zu Dagmar, um ihr alles zu erzählen. Zusammen begeben sie sich nochmal zu dem Gebäude.
[COLOR=bbcf83]Der erste Blick ins Zimmer. Harry hatte sich einiges vorgenommen und vorgestellt. Selbst das Schlimmste, aber das sah er nicht. Ihm fielen die vier Stühle auf, der Tisch ebenfalls, und er war etwas Besonderes. Harry hatte die Stühle besetzt gesehen, doch das war jetzt nicht mehr der Fall.[/COLOR] Auch die angefressene Leiche ist weg. Tja, war wohl nichts. Vernichten könnte Harry die Ghouls eh nicht, weil er seine Pistole mit Silberkugeln daheim gelassen hat. Da ist dieses Nachspionieren sehr riskant, aber egal.
Nach der Beisetzung sieht Dagmar eine Gestalt im Wald. Harry unternimmt wieder einen waffenlosen Alleingang und sucht nach dem Kerl. Hier greift einer der Leichenfresser an. Eigentlich hätte Harry keine Chance. Aber der Ghoul ist wohl gerade satt und lässt sich Zeit. Dagmar wird es im Auto zu warm, sie will dort nicht länger warten und latscht ebenfalls in den schattigen Wald. Sie hört die Kampfgeräusche und im Gegensatz zu ihrem Partner hat sie eine Waffe dabei. Sie feuert einen Warnschuss ab.
[COLOR=bbcf83]Der Schuss und der Schrei mussten ihn abgelenkt und aufgewühlt haben. Plötzlich dachte er nicht mehr an sein hilfloses Opfer und an seinen Hunger, sondern nur noch an Flucht. Auf der Stelle kreiselte er herum und flüchtete.[/COLOR] Sind in Dagmars Pistole auch Silberkugeln? Mh, eigentlich ist es egal. Der Ghoul kann das nicht wissen und würde sich als Dämonenwesen sicher nicht von einer lächerlichen Pistole einschüchtern lassen.
Ein Drittel des Romans ist geschafft und so richtig kommt er nicht ins Rollen. Aber hey, was anderes darf man bei einem Dark nicht erwarten. Die Beschreibungen des Friedhofs und des Waldes sind wichtiger als Action und dieses „leichte Schauergefühl“ ist in Ordnung.
Nun sind Dagmar und Harry zur Trauerfeier mit Übernachtung auf eine nahe Burg eingeladen und man kann sich schon denken, wo die vier Ghouls rein zufällig als nächstes zuschlagen wollen. Harry hängt gerade ihre Klamotten in den Kleiderschrank, da stolpert er über einen Geheimgang hinter der Rückwand. Toll.
[COLOR=bbcf83]In Harry erwachte wieder eine gewisse Neugier. Wenn sich ein geheimer Gang so präsentierte, dann lud er praktisch dazu ein, begangen zu werden.[/COLOR] Um Konsistenz zu bleiben, erkundet Harry den Geheimgang allein. Natürlich ohne sich von Dagmar die Pistole zu leihen, wäre ja zu einfach.
Harry folgt dem Geheimgang in den Keller der Burg, wo gerade ein Kofferträger von den Ghouls angegriffen wird.
[COLOR=bbcf83]Noch tat sich nichts. Die Zeit dehnte sich. Allmählich normalisierte sich seine Atmung. Die Ghouls standen nur vor ihm und wirkten wie Personen, die auf etwas Bestimmtes warteten.[/COLOR] Auf ihren Anführer mit einer Kettensäge nämlich. Leider gibt es hier keinen Ausgang des Geheimganges und Harry hört nur das bedrohliche Kettensägen-sägen. Er muss sich einen anderen Weg suchen und kommt zu spät. Schonmal ein Opfer, das ist für einen Dark nicht selbstverständlich. Dagmar mischt sich unterdessen unter die Trauergäste und unterhält sich mit ihnen. Bei einem der Gäste namens Bernd Massing hat sie ein mieses Bauchgefühl.
[COLOR=bbcf83]Das Gefühl sagte ihr, dass sie ihn nicht aus der Kontrolle lassen sollte.[/COLOR] Sie folgt ihm zu einem weiteren Einstieg in das Geheimgangsystem der Burg. Damit ist das nächste Drittel des Hefts erledigt. Typisch Dark. Es passiert nicht alle 2 Seiten etwas total übertriebenes und schockierendes, sondern das Abenteuer lässt sich schön in Kapitel mit einer „Höhepunkt-Szene“ einteilen.
Man sieht förmlich, wie der Fall sich auf den letzten 20 Seiten dem Finale nähert. Harry sucht nach Dagmar und macht sich Sorgen. Dagmar folgt Bernd Massing unbemerkt zu den vier Ghouls und macht sich dann leise auf den Rückweg, um Harry zu informieren.
[COLOR=bbcf83]Den letzten Schritt schaffte sie auch noch, doch da geschah es: Sie stolperte und fiel gegen die Tür. Es gab einen Laut, den sie nicht überhören konnte, und sie hoffte, dass ihn nicht auch ein anderer wahrgenommen hatte.[/COLOR] „Doofes Stolpern“ ist einer meiner Lieblingsklassiker und es wird den Autoren als Plotmittel einfach nicht alt, egal in welcher Serie. Dagmar rennt den Rest des Geheimgangs und erreicht Harry rechtzeitig. Jörg Massing hat die Verfolgung aufgegeben und widmet sich lieber weiter seinen eigentlichen Plänen.
Auf geht es zum Leichenschmaus. Die Trauerrede hält ausgerechnet Jörg Massing und der Champagner zum Anstoßen riecht seltsam.
[COLOR=bbcf83]“Stell das Glas weg!“ „Und dann?“ „Stelle es weg, Harry, und kipp das Zeug vorher aus! Da, in eine Blumenvase.“[/COLOR] Die anderen Gäste kann man schlecht warnen, das würde ihnen eh keiner glauben. So kann man nur hoffen, dass kein tödliches Gift in den Getränken ist. Was eine echt nette Idee der Ghouls wäre, aber so einen Kracher kann man beim dark’schen Wohlfühlgrusel nicht erwarten. Mal fix sämtliche Trauergäste killen, während Harry nichts unternimmt und als traumatisierter Versager dasteht, solche Szenen schreiben andere Autorenkollegen. Die Gäste kippen jedenfalls nicht röchelnd um, sondern essen normal ihre Vorspeise. Da wird wohl irgendwas Leichteres in dem Champagner gewesen sein, das seine Wirkung erst noch entfalten muss.
So tauchen dann die vier Sargträger-Ghouls auf, die tatsächlich eine Leichenkiste in den Raum tragen. Sie stellen den Sarg ab und öffnen ihn. Dagmar und Harry ahnen Böses.
[COLOR=bbcf83]Sie standen günstig, konnten gut in den offenen Sarg schauen und sahen dort einen Menschen liegen, der in die Gewalt der Ghouls geraten war. Sein Körper war nicht mehr unversehrt.[/COLOR] Ah, der arme zerkettensägte Kofferträger. Jason Dark geht natürlich nicht in mehr Details auf den Zustand des Toten ein, um den Leser nicht zu sehr zu verekeln. Mir reicht meine Fantasie, ein solches Vorgehen ist mir immer lieber als grafische Splatterszenen für den Schockoment. Es bricht keine Panik unter den Gästen aus, weil sie durch die Droge im Champagner ruhiggestellt wurden. Nicht dass sie betäubt wurden, es ist den Anwesenden einfach Scheiß egal. Als hätten sie ein Hypnosemittel genommen, gibt es sowas?
Damit es noch ein wenig Spannung gibt, springt dann doch einer der Gäste empört auf und schießt auf die Ghouls. Natürlich ohne Erfolg. Plötzlich zieht Harry seine Pistole, weil er doch eine dabei hat oder so. Die Silberpatronen richten natürlich mehr aus und machen kurzen Prozess mit den vier Ghouls. Das hätten die beiden auch eher erledigen können, aber egal. Jörg Massing hat sich zurückgezogen.
Bis hierhin ein Roman ohne John Sinclair. Was ich sogar positiv finde. Jetzt muss er auf den letzten Seiten aber doch mitspielen. Nur wie? Der Fall ist für Dagmar und Harry erstmal erledigt. Jörg Massing taucht nicht wieder auf. Als Harry einige Monate später auf einer anderen Burg Geburtstag feiert, will er sich rächen. Ein nach Verwesung stinkender Zettel mit einer Drohung bringt den Fall wieder ins Rollen.
[COLOR=bbcf83]Es ging um eine Beerdigung, bei der der Anführer leider entkommen war. „Und jetzt will sich dieser Massing rächen!“, fasste ich zusammen. „Ja, darauf deutet alles hin. Ich gehe mal davon aus, dass er sich Zeit gelassen hat und nun eine alte Rechnung begleichen will.“[/COLOR] Also greift Jörg Massing Harry bei der Geschenkeübergabe an und wird fix von John mit Silberkugeln erschossen.
Für mich hätte John echt nicht sein müssen. Es ist auch ein gewisser Bruch in der Handlung. Die Geschichte war doch schon an ihrem Finale. Harry und Dagmar verfolgen Jörg Massing durch die Geheimgänge, stellen ihn und töten ihn. Fertig ist ein nettes Abenteuer zweier sympathischer Nebenfiguren, ohne dass der Hauptheld eingreifen muss. Das passiert auch völlig überhastet und zu knapp, weil Jason Dark auf den letzten 10 Seiten lieber ausgiebig die Geburtstagsfeierlichkeiten schildert.
Und der Rest der Geschichte…naja. Die erste Hälfte ist für mich ein klassischer „lahmer Frauengrusel“. Keine echte Action, seitenlange Beschreibungen und Dialoge. Es passiert kaum etwas und zieht sich furchtbar. Auf der Burg wird es dann schlagartig besser. Natürlich bleibt es ein Dark mit seinen Eigenarten, aber das weiß man ja, wenn man sich das Heft kauft. Für Dark-Fans genau das Richtige. Und die werden sicher auch Johns Eingreifen am Ende eher tolerieren, weil es eine nette Geburtstagssause für Harry gibt.
4/10 für die erste Hälfte, danach entwickelt es sich zu einem dark’schen

:baff: :baff: :baff: :baff: (6 von 10 Kreuzen) . Weil ich John am Ende echt nicht mehr gebraucht hätte, wird es ein MITTEL. Aber insgesamt genau das, was ich vom Altmeister sehen möchte und erwarte.