Info zu Vanessa - Die Freundin der Geister
Verfasst: Sa Okt 03, 2020 12:43 pm
Mit freundlicher Genehmigung von Peter Menningen
Vanessa – Die Freundin der Geister – Teil 1
In den 1970er und 1980er Jahren ging es auf dem deutschen Comicmarkt zeitweilig zu wie im Wilden Westen. Damals wurde in den Verlagen nicht lange gefackelt, wenn man einen neuen Comic veröffentlichen wollte. Man veröffentlichte ihn einfach. Heute hat sich diesbezüglich einiges geändert.
Es werden gefühlte hundert Meetings abgehalten, bei denen vor allem Marketing Experten ihre Kristallkugeln befragen, ehe ein neues Magazin publiziert wird. Zwecks Risikominimierung handelt es sich dabei bevorzugt um Ableger eines bereits erfolgreichen Franchise-Artikels. Leider ohne Gewähr, dass die penibel ausgewählten Produkte auch so erfolgreich sind wie bei der „Wild-West“-Methode.
Der Bastei Verlag war in den 1970ern und 1980ern in Bezug auf die Entwicklung neuer Comicserien in Deutschland führend. Die Hefte waren Comics pur, ohne irgendwelche Beigaben. Trotzdem liefen diese Reihen erfolgreich über Jahre, manchmal sogar Jahrzehnte, zumeist im wöchentlichen oder vierzehntäglichen Erscheinungsmodus.
Eine dieser Serien hieß â€žVanessa - Die Freundin der Geister“. Entstanden war sie mehr oder weniger aus dem Zufall heraus an einem sonnigen Samstag im Frühsommer 1981.
Vormittags hatte ich mich mit Werner Geismar, dem Chefredakteur der Bastei Jugendredaktion, in Köln wegen eines anderen Projekts getroffen. Gegen Mittag war alles besprochen. Auf dem Weg zu unseren Autos redeten wir über Comics im Allgemeinen und die Serien von Bastei im Besonderen. Es sollte eine für „Vanessa“ schicksalhafte Unterhaltung werden. Nur das wussten wir zu dem Zeitpunkt noch nicht.
Auf dem Parkplatz standen wir gut eine halbe Stunde neben unseren Fahrzeugen und kamen von einem Thema zum nächsten, ohne dass ein Ende in Sicht war. Irgendwann meldeten unsere Mägen ihren Anspruch auf Nahrung an, also beschlossen wir, das Gespräch bei einem Mittagessen fortzusetzen.
Wir fuhren zu einem Restaurant in der Kölner Innenstadt und sprachen weiter über mögliche neue Serien, über die alten Reihen, was gut lief, was weniger gut, was man verbessern könnte usw.
Gegen 15 Uhr starteten wir einen erneuten Versuch, die Heimreise anzutreten. Doch als wir bei unseren Fahrzeugen ankamen, hatte unsere Diskussion immer noch kein Ende gefunden. Weshalb wir sie bis gegen 18 Uhr in einem Straßencafé weiterführten. Wir hatten die Rechnung schon bezahlt und wollten gerade gehen, als einer von uns – ich weiß nicht mehr, ob er oder ich – meinte: Lesen Mädchen eigentlich auch Comics?
Die Frage war insoweit berechtigt, als dass die bei Bastei veröffentlichten Comics ausschließlich auf eine männliche Leserschaft ausgerichtet waren. Einzige Ausnahme bildete „Conny“ mit dem stereotypen Thema „Mädchen und Pferde“. Was aber war mit den anderen Comics wie „Bessy“, „Gespenster Geschichten“, „Lasso“, oder „Silberpfeil“? Wie verteilten sich die Leseranteile zwischen Jungen und Mädchen? Antwort: Niemand wusste es. Marketinganalysen gab es damals bei Bastei nicht. Und aus den relativ spärlichen Leserbriefen ließ sich kein halbwegs verlässliches Bild der Leserschaft ermitteln.
Werner Geismar fand das Thema so interessant, dass er vorschlug, es in einer Kneipe weiter zu vertiefen. Eine gute Entscheidung wie sich herausstellen sollte, denn nach Mitternacht saßen wir immer noch in besagter Kneipe und redeten uns die Köpfe heiß. Mittlerweile hatten die Straßencafés längst geschlossen.
Stundenlang diskutierten wir über die – zu diesem Zeitpunkt noch rein hypothetische – Möglichkeit, wie so ein Mädchencomic abseits der üblichen „Klischees“ wie Mode, Tiere oder Jungs aussehen könnte.
Thematisch lief es auf einen Hybriden zwischen „Arsat – Der Magier von Venedig“ und „Gespenster Geschichten“ hinaus. Natürlich musste der Comic eine Protagonistin haben, aus deren Sichtweise die Geschichten erzählt werden würden. Allerdings fehlte uns ein bisschen der Mut, radikal mit allen Stereotypen der damals gängigen „Mädchen-Literatur“ zu brechen, weswegen der Comic auch eine romantische Note besitzen sollte. Was wäre zum Beispiel, wenn ein Mädchen einen Geist als Freund hätte? Dies war der erste Ansatz für „Vanessa“.
An jenem Abend legten wir noch weitere wichtige Eckpunkte für die Serie fest: Die Geschichten sollten in England, dem Hotspot für spukende Gespenster, spielen. Die Protagonistin würde in einem alten Schloss leben. Unsere noch namenlose Heldin wäre eine moderne Teenagerin, mit der sich Leserinnen identifizieren konnten.
Am Ende unseres Brainstormings wussten wir auch schon halbwegs, wie sie ihren Geisterfreund kennenlernen würde: Indem sie mit ihren Eltern auf ein Schloss zog und dort ein Artefakt fand, dass ihr den Zugang zum Geisterreich ermöglichte. Wo sie außer auf ihren Geisterfreund auch andere Spukgestalten traf, mit denen es die eine oder andere Herausforderung geben würde.
Weit nach Mitternacht verließen wir die Kneipe, um dann tatsächlich nach Hause zu fahren. Inzwischen hatte sich unsere „rein hypothetische“ Überlegung über einen neuen Mädchencomic zu einem konkreten Projekt entwickelt, das auf jeden Fall als Comicserie umgesetzt werden sollte.
Werner Geismar wollte sich in den kommenden Tagen noch ein paar Gedanken über die Konzeption des Comics in spe machen und an den Details feilen. Anschließend würde er mir ein offizielles Briefing schicken, auf dessen Grundlage ich erst ein ausführliches Exposé und nach dessen Freigabe das erste Skript schreiben sollte.
Es dauerte ein, zwei Wochen, bis ich das ausgearbeitete Konzept per Post bekam. Es beinhaltete neben unseren in Köln entwickelten Ideen auch den Namen der Heldin: Vanessa Bunburry, Alter zwischen vierzehn und fünfzehn Jahren.
Vanessa und ihre Eltern sollten in der ersten Story das geerbte Schloss „Westwood Manor“ in der englischen Grafschaft Essex beziehen. In den Gemäuern findet sie ein magisches Amulett, mit dem sie Geister sehen kann.
Ihre erste übersinnliche Begegnung ist die mit dem sechszehnjährigen Geisterjungen Harold, der in einem unbewohnten Turm spukt. Und das schon seit geraumer Zeit, was seine mittelalterliche Kleidung verrät. In seinem Turm gab es einen Durchgang, eine sogenannte „Pforte der Zeit“, durch die Vanessa in die Parallelwelt der Toten, aber irgendwie doch quicklebendigen Geister und wieder zurück pendeln und aufregende Abenteuer bestehen konnte. Die Geschichten sollten unheimlich und romantisch zugleich sein. Wobei trotz aller Dramatik der Gruselfaktor nicht allzu hoch sein durfte.
Nach dem offiziellen Briefing machte ich mich zügig ans Werk und brachte einige „Vanessa“-Plots zu Papier, von denen ich die besten dann als detaillierte Exposés ausarbeiten wollte. Aber irgendwie hakte es dabei. Meine ersten Versuche waren ganz nett, doch ich hatte das Gefühl, eine wichtige Komponente fehlte ihnen.
Fortsetzung folgt …
___________________________________________
Bei Werner Skibar
bedanke ich mich herzlich für die zur Verfügung gestellten Scans der „Vanessa“ Ausgabe #1.
Siehe auch:
https://www.facebook.com/Eismann76/post ... &ref=notif
https://www.facebook.com/peter.mennigen
Vanessa – Die Freundin der Geister – Teil 1
In den 1970er und 1980er Jahren ging es auf dem deutschen Comicmarkt zeitweilig zu wie im Wilden Westen. Damals wurde in den Verlagen nicht lange gefackelt, wenn man einen neuen Comic veröffentlichen wollte. Man veröffentlichte ihn einfach. Heute hat sich diesbezüglich einiges geändert.
Es werden gefühlte hundert Meetings abgehalten, bei denen vor allem Marketing Experten ihre Kristallkugeln befragen, ehe ein neues Magazin publiziert wird. Zwecks Risikominimierung handelt es sich dabei bevorzugt um Ableger eines bereits erfolgreichen Franchise-Artikels. Leider ohne Gewähr, dass die penibel ausgewählten Produkte auch so erfolgreich sind wie bei der „Wild-West“-Methode.
Der Bastei Verlag war in den 1970ern und 1980ern in Bezug auf die Entwicklung neuer Comicserien in Deutschland führend. Die Hefte waren Comics pur, ohne irgendwelche Beigaben. Trotzdem liefen diese Reihen erfolgreich über Jahre, manchmal sogar Jahrzehnte, zumeist im wöchentlichen oder vierzehntäglichen Erscheinungsmodus.
Eine dieser Serien hieß â€žVanessa - Die Freundin der Geister“. Entstanden war sie mehr oder weniger aus dem Zufall heraus an einem sonnigen Samstag im Frühsommer 1981.
Vormittags hatte ich mich mit Werner Geismar, dem Chefredakteur der Bastei Jugendredaktion, in Köln wegen eines anderen Projekts getroffen. Gegen Mittag war alles besprochen. Auf dem Weg zu unseren Autos redeten wir über Comics im Allgemeinen und die Serien von Bastei im Besonderen. Es sollte eine für „Vanessa“ schicksalhafte Unterhaltung werden. Nur das wussten wir zu dem Zeitpunkt noch nicht.
Auf dem Parkplatz standen wir gut eine halbe Stunde neben unseren Fahrzeugen und kamen von einem Thema zum nächsten, ohne dass ein Ende in Sicht war. Irgendwann meldeten unsere Mägen ihren Anspruch auf Nahrung an, also beschlossen wir, das Gespräch bei einem Mittagessen fortzusetzen.
Wir fuhren zu einem Restaurant in der Kölner Innenstadt und sprachen weiter über mögliche neue Serien, über die alten Reihen, was gut lief, was weniger gut, was man verbessern könnte usw.
Gegen 15 Uhr starteten wir einen erneuten Versuch, die Heimreise anzutreten. Doch als wir bei unseren Fahrzeugen ankamen, hatte unsere Diskussion immer noch kein Ende gefunden. Weshalb wir sie bis gegen 18 Uhr in einem Straßencafé weiterführten. Wir hatten die Rechnung schon bezahlt und wollten gerade gehen, als einer von uns – ich weiß nicht mehr, ob er oder ich – meinte: Lesen Mädchen eigentlich auch Comics?
Die Frage war insoweit berechtigt, als dass die bei Bastei veröffentlichten Comics ausschließlich auf eine männliche Leserschaft ausgerichtet waren. Einzige Ausnahme bildete „Conny“ mit dem stereotypen Thema „Mädchen und Pferde“. Was aber war mit den anderen Comics wie „Bessy“, „Gespenster Geschichten“, „Lasso“, oder „Silberpfeil“? Wie verteilten sich die Leseranteile zwischen Jungen und Mädchen? Antwort: Niemand wusste es. Marketinganalysen gab es damals bei Bastei nicht. Und aus den relativ spärlichen Leserbriefen ließ sich kein halbwegs verlässliches Bild der Leserschaft ermitteln.
Werner Geismar fand das Thema so interessant, dass er vorschlug, es in einer Kneipe weiter zu vertiefen. Eine gute Entscheidung wie sich herausstellen sollte, denn nach Mitternacht saßen wir immer noch in besagter Kneipe und redeten uns die Köpfe heiß. Mittlerweile hatten die Straßencafés längst geschlossen.
Stundenlang diskutierten wir über die – zu diesem Zeitpunkt noch rein hypothetische – Möglichkeit, wie so ein Mädchencomic abseits der üblichen „Klischees“ wie Mode, Tiere oder Jungs aussehen könnte.
Thematisch lief es auf einen Hybriden zwischen „Arsat – Der Magier von Venedig“ und „Gespenster Geschichten“ hinaus. Natürlich musste der Comic eine Protagonistin haben, aus deren Sichtweise die Geschichten erzählt werden würden. Allerdings fehlte uns ein bisschen der Mut, radikal mit allen Stereotypen der damals gängigen „Mädchen-Literatur“ zu brechen, weswegen der Comic auch eine romantische Note besitzen sollte. Was wäre zum Beispiel, wenn ein Mädchen einen Geist als Freund hätte? Dies war der erste Ansatz für „Vanessa“.
An jenem Abend legten wir noch weitere wichtige Eckpunkte für die Serie fest: Die Geschichten sollten in England, dem Hotspot für spukende Gespenster, spielen. Die Protagonistin würde in einem alten Schloss leben. Unsere noch namenlose Heldin wäre eine moderne Teenagerin, mit der sich Leserinnen identifizieren konnten.
Am Ende unseres Brainstormings wussten wir auch schon halbwegs, wie sie ihren Geisterfreund kennenlernen würde: Indem sie mit ihren Eltern auf ein Schloss zog und dort ein Artefakt fand, dass ihr den Zugang zum Geisterreich ermöglichte. Wo sie außer auf ihren Geisterfreund auch andere Spukgestalten traf, mit denen es die eine oder andere Herausforderung geben würde.
Weit nach Mitternacht verließen wir die Kneipe, um dann tatsächlich nach Hause zu fahren. Inzwischen hatte sich unsere „rein hypothetische“ Überlegung über einen neuen Mädchencomic zu einem konkreten Projekt entwickelt, das auf jeden Fall als Comicserie umgesetzt werden sollte.
Werner Geismar wollte sich in den kommenden Tagen noch ein paar Gedanken über die Konzeption des Comics in spe machen und an den Details feilen. Anschließend würde er mir ein offizielles Briefing schicken, auf dessen Grundlage ich erst ein ausführliches Exposé und nach dessen Freigabe das erste Skript schreiben sollte.
Es dauerte ein, zwei Wochen, bis ich das ausgearbeitete Konzept per Post bekam. Es beinhaltete neben unseren in Köln entwickelten Ideen auch den Namen der Heldin: Vanessa Bunburry, Alter zwischen vierzehn und fünfzehn Jahren.
Vanessa und ihre Eltern sollten in der ersten Story das geerbte Schloss „Westwood Manor“ in der englischen Grafschaft Essex beziehen. In den Gemäuern findet sie ein magisches Amulett, mit dem sie Geister sehen kann.
Ihre erste übersinnliche Begegnung ist die mit dem sechszehnjährigen Geisterjungen Harold, der in einem unbewohnten Turm spukt. Und das schon seit geraumer Zeit, was seine mittelalterliche Kleidung verrät. In seinem Turm gab es einen Durchgang, eine sogenannte „Pforte der Zeit“, durch die Vanessa in die Parallelwelt der Toten, aber irgendwie doch quicklebendigen Geister und wieder zurück pendeln und aufregende Abenteuer bestehen konnte. Die Geschichten sollten unheimlich und romantisch zugleich sein. Wobei trotz aller Dramatik der Gruselfaktor nicht allzu hoch sein durfte.
Nach dem offiziellen Briefing machte ich mich zügig ans Werk und brachte einige „Vanessa“-Plots zu Papier, von denen ich die besten dann als detaillierte Exposés ausarbeiten wollte. Aber irgendwie hakte es dabei. Meine ersten Versuche waren ganz nett, doch ich hatte das Gefühl, eine wichtige Komponente fehlte ihnen.
Fortsetzung folgt …
___________________________________________
Bei Werner Skibar
bedanke ich mich herzlich für die zur Verfügung gestellten Scans der „Vanessa“ Ausgabe #1.
Siehe auch:
https://www.facebook.com/Eismann76/post ... &ref=notif
https://www.facebook.com/peter.mennigen