Beim ?ersten komplett selbst geschriebenen? Roman von Oliver Müller gibt es gleich zu Beginn ordentlich deutsches Lokalkolorit. Das wundert mich nur wenig. Mal schauen, wie das so wird, meine Sache ist es ja leider nicht. Dafür spielt der Roman gar nicht mal so weit entfernt in Hoyerswerda. Wo es den Tiger von Sabrodt tatsächlich gibt und man ihn besichtigen kann.
Der wird nun geklaut und natürlich die Polizei gerufen. Ein älterer Beamte glaubt dann sofort, dass das ausgestopfte Tier von selbst ausgebrochen ist. Wegen alter Legende. Darüber konnte ich keine realen Quellen finden, aber der Autor hat sicher besser recherchiert als ich kurz über Google. Es bleibt jedenfalls klassisch
Es hätte keinen Zweck, sie euch Jungspunden zu erzählen. Ja, diese modernen jungen Leute, hängen die ganze Zeit nur an ihren Handys und kennen die alten Geschichten nicht mehr.
Ganz treffend ist es deshalb eine junge Joggerin, die im Wald als erste von der Bestie getötet wird. Als Zamorra einen Zeitungsartikel dazu in die Hände bekommt, macht er sich die ganze Strecke nach Deutschland auf den Weg, um sich die unbestätigte Sache anzuschauen.
“Früher bist du wesentlich dünneren Spuren gefolgt.“ Wenigstens macht er das in seiner Freizeit und nicht als Job in irgendeiner Spezialabteilung. Ehrlich gesagt finde ich es deshalb weniger schlimm, wenn er solchen auf den ersten Blick trivialen Sachen hinterherrennt.
Vor Ort erfährt er von der Legende. Der abergläubische Polizist ist zum Glück sehr auskunftsfreudig.
“Ich glaube Ihnen, Zamorra. Irgendwie fühle ich, dass Sie ein besonderer Mensch sind.“ So einfach geht das. Der Großvater des Mannes war einer der Jäger des Wolfes und hat natürlich obligatorische Aufzeichnungen hinterlassen. Die sind geheim und wurden noch nie irgendjemanden gezeigt, aber bei dem Fremden aus Frankreich geht das plötzlich klar.
Wolf war gegen normale Waffen immun, wurde also gefangen und zum Pfarrer geschleppt. Silber und Weihwasser als Mittelchen gehen ja noch in Ordnung. Aber den Wolf an ein Brett zu nageln wie Christus ist dann schon irgendwie seltsam. So wird er auch nur gebannt, nicht getötet. Man will ihn der Obrigkeit im Schloss aushändigen, die sich darum kümmern soll und in Kerker sperrt. Wie wäre es mit Kopf abschlagen oder in eine Wanne mit Wasser legen, das dann geweiht wird? Ok, hätten die so viel Einfallsreichtum gehabt gäbe es jetzt keinen Fall der Woche für Zamorra.
Der quartiert sich erstmal ein. So gibt es eine ausführliche Szene im obligatorischen urigen Gasthaus, mit urigen Leuten und urigen Gerichten. Was halt dazu gehört. Die zweite Hälfte des Roman fällt ab der Stelle dann leider etwas ab. Durch sein Amulett spürt Zamorra, dass jemand im Gasthaus eine dunkle Aura ausstrahlt. Welch passender Zufall. Ein Infizierter? Doch der ist weg, bevor Zamorra dem nachgehen kann, weil ihm aus Müdigkeit leider die Augen zufallen. Och. Dann klappert er die Krankenhäuser ab, und natürlich wurde der Gebissene inzwischen eingeliefert. Zamorra hat erneut Pech.
Er fand das Treppenhaus und die Aufzüge und entschied sich für die gesunde Variante. Als ausgerechnet jetzt der werdende Werwolf wegrennt, nutzt er natürlich die Aufzüge und entkommt erneut. Bitte nicht noch mehr solcher Stilmittel, um eine Konfrontation hinauszögern. Aber keine Sorge, der Meister des Übersinnlichen verfolgt den Mann und kann ihn stellen. Endlich erfahren wir ganze Geschichte. Er war der Einbrecher im Museum und wollte die silbernen Nägel klauen, mit dem der Werwolf auf das Holzbrett gebannt wurde. Der Gruselromanfreund weiß: Ganz dumme Idee! Er kam mit dem Leben davon, wurde aber verletzt. Aber woher wusste er überhaupt von den wertvollen Nägeln? Natürlich ist der Kerl ein Urenkel des Pfarrers von damals und hat ebenfalls Aufzeichnungen gelesen. Ein echter Heftromanzufall könnte man meinen, aber eigentlich passt bisher alles ganz gut zusammen und ergibt schön Sinn. Die einzige störende Sache ist, dass er zufällig genau zeitgleich mit Zamorra im Gasthaus war und sich deshalb die Sache so entwickelt, dass Zamorra nun weitere wichtige Aufzeichnungen lesen kann.
Außerdem hypnotisiert er den Einbrecher und erhält einen weiteren wichtigen Hinweis. Langsam geht es Richtung Finale, man muss nur noch die Puzzlestücke zusammensetzen. Der Einbrecher muss auf der Zielgeraden leider daran glauben und wird vom Werwolf erwischt. Zamorra hetzt hinter der Bestie her, kann sie in ihrer Höhle stellen und
Er hob das Amulett an und gab ihm den Befehl zum Angriff. Ein Blitzschlag beendete das Leben des Wolfs. Er starb, ohne auch nur noch einen Laut von sich zu geben. Innerhalb einer Sekunde zerfiel das Tier zu Staub. Oh. Das ging jetzt schnell. Dem Autor kam es aber offensichtlich gar nicht auf einen epischen Finalkampf an, sondern um eine tragische Geschichte. Zamorra entdeckt in der Höhle nämlich noch zwei Bündel. Wolfsmenschkinder, direkt nach Geburt gestorben. Den Rest erfährt er, als er das Tagebuch des Pfarrers weiter liest. Der Wolfsmann hatte den Pfarrer damals um Hilfe gebeten, bei der Geburt seiner Kinder zu helfen. Dieser lehnte kaltherzig ab und seine Frau und die Kinder starben. Das war der Auslöser, der ihn zur rasenden Bestie machte. Auch keine neue Geschichte, aber ein passendes düsteres Ende für den Roman, bei dem der Autor immer wieder hat durchscheinen lassen, dass es sich um keine mordende Höllenbestie handelt. Sowas ist mir auch sehr viel lieber als andere Werwolfsgeschichten mit epischen Kämpfen.
Doch noch sind wir nicht fertig. Zamorra hat nämlich die mumifizierten Wolfskinder ins Château mitgenommen.
„Ich kann es dir, ehrlich gesagt, nicht sagen. Es war so ein Gefühl, als müsse ich sie mitnehmen. Ob es ihr Anblick war oder was auch immer, ich weiß es wirklich nicht.“ Seltsam? Aber so steht es geschrieben.
Ich bin echt positiv von der Geschichte überrascht, am Anfang war ich nämlich noch ziemlich skeptisch. Aber Oliver Müller hat es tatsächlich geschafft, den Lokalroman so zu schreiben, wie ich es gern hätte. Ab und an kleine Infos einstreuen. Aber kein zu ausführlicher literarischer Reiseführer. Kein Gefühl, dass der Autor mit seinem Insiderwissen klugscheißern will. Und auch keine Werbeveranstaltung für einen Ort, den der Autor gern mag. Man könnte vielleicht auch sagen, für einige wird es vielleicht zu wenig Lokalkolorit sein, aber das kann mir ja egal sein.
Neben den kurzen Tagebuchausschnitten, erfährt man mehr über die Legende in wenigen Vergangenheitsszenen. Auch hier, das perfekte Maß. Nicht zu lang, dass es dem eigentlichen Abenteuer auf den knappen Heftromanseiten Platz weg nimmt.
Am Ende bleibt die Geschichte ein normaler Solofall der Woche für Zamorra. Nichts extrem besonderes, der Werwolf ist ja auch fix hinüber, als es am Ende zur Sache geht. Dafür ist seine Hintergrundgeschichte interessant. Dass Zamorra die Kinderleichen mit nimmt, finde ich jetzt nicht so toll, hoffentlich entwickelt sich dieses nette Abenteuer nicht zu einer ausgefallenen Plotbaustelle über mehrere Jahre, wie man es von anderen Autoren kennt.
Da macht das Rezischreiben auch Spaß. Und das Lesen.

:baff: :baff: :baff: (7,5 von 10 Amuletten), was für so einen Einzelfall der Woche für mich prima ist.