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Band 463: Mord an einem Toten

Verfasst: Mo Aug 19, 2019 11:05 am
von Talis

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Knapp eine Meile südlich der Ortseinfahrt von Glencoe macht die Sheridan Road eine Kurve, die weit scheint, sich in ihrem letzten Drittel aber überraschend eng krümmt.
Der Fahrer des Chryslers meisterte sie trotzdem.
Ich bin großartig! dachte er und jagte den Wagen auf die Tower Riad zu.
Er sah viel Licht und in diesem Licht auf dem Bürgersteig hart am Straßenrand eine Menschengruppe. Sein dominierender Eindruck war: Miniröcke — Lederjacken. Es schien ihm, als wankten die Gestalten.
Besoffen! dachte er und grinste.
Für alle Fälle! dachte er und legte die Hand schwer auf den Hupring am Lenkrad. Das Mehrklanghorn tönte — melodisch, aber laut und durchdringend.
Die Wirkung war aber entgegensetzt, die der Mann am Lenkrad erwartet hatte: überraschend sprang eine der Gestalten in den Lederjacken vom Bürgersteig auf die Fahrbahn und riß beide Arme hoch.
Ein ungeheurer Schreck durchzuckte den Mann in der Limousine. Was folgte, glich einem Alpträum: Ein zur Fratze verzerrtes Jungmännergesicht schien, sich rapide vergrößernd, auf ihn zuzurasen. Ein schreckliches dumpfes Geräusch wurde hörbar, ein dunkler Körper durch die Luft gewirbelt. Dann gellte es aus vielen Kehlen wie ein Schrei.
Das alles kam dem Chrysler vor wie eine grauenerregende Vision.
Er wuchtete den Fuß aufs Bremspedal — jetzt erst. Die Räder blockierten, und die Limousine geriet ins Schleudern. Er nahm den Fuß fort, fing den schweren Wagen ab und tippte das Pedal zunächst nur ein paarmal kräftig an, bis er gefahrlos wieder voll bremsen konnte. Endlich stand der Chrysler, und der Driver wandte sich um. Sein Gesicht war bleich und starr. Er fühlte sich jäh ernüchtert.
Sie kamen angerannt — mit sonderbar eckigen Bewegungen ihrer Glieder die einen, taumelnd die anderen. Sie schüttelten drohend die Fäuste und heulten satanisch.
Ich muß mich ihnen stellen, dachte der Mann im Chrysler, muß nach meinem Opfer sehen — vielleicht ist ihm noch zu helfen.
Plötzlich sah er einen Blitz — das Mündungsfeuer einer Waffe. Die Heckscheibe barst mit einem Knall wie ein Kanonenschuß. Und dann schlugen Steine gegen das Blech der Karosserie — auf Wagendach und Kofferraum.
Ein zweiter Schuß krachte, und den Mann in der dunkelgrünen Limousine packte die Panik. Er dachte nicht mehr daran, sich der Horde zu stellen, und er dachte nicht mehr an den jungen Mann, den er angefahren hatte. Er wuchtete den Fuß aufs Gaspedal, und mit aufheulendem Motor schoß der grüne Chrysler vorwärts.
Sich ihnen stellen, hieße, sich ihnen ausliefern, ging es dem Fahrer durch den Kopf. Sie würden mich lynchen — totschlagen wie einen tollwütigen Hund . . .

Mord an einem Toten
- Die Mauer des Schweigens -

von G. W. Jones (=???)


RE: Band 463: Mord an einem Toten

Verfasst: Mo Aug 19, 2019 11:40 am
von Talis

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Der Zeichner Theo Thomas hat für diesen Fledermaus-Roman auf den Seiten 10, 11, 22, 38 und 56 fünf Innenillustrationen gezeichnet. Dies ist eine davon.