Bei den Amazonen in Berlin tut sich ein neuer Parallelwelt-Areal-Tausch auf. Einige sind gerade auf der Jagd und entgehen dem Phänomen. Das Berlin, in das sie zurückkehren ist eine moderne Version, wie wir sie kennen. Da rennen zum Beispiel Leute herum und wollen „Sälviehs“ mit den Amazonen machen. Augenzwinkernde Gesellschaftskritik im MX-Humor sind leider ein Bestandteil der Reihe, da komme ich nicht drumrum. Die Amazonen merken, dass in diesem Berlin die Männer das Sagen haben und die Frauen schlecht behandeln. Da müssen sie unbedingt eingreifen, auch wenn sie hier fremd sind und sich eher zurückhalten sollen.
So erregen sie natürlich schnell die Aufmerksamkeit von Großinquisitor Jakob Kramer. Dieses moderne Deutschland aus der anderen Welt ist nämlich ein fanatischer Gottesstaat. Joseph Ratzinger zum Beispiel ist kein Papst, sondern der Bundeskanzler. Auch wenn er hier Razinger ohne T geschrieben wird, sind die Verweise auf unsere echte Welt natürlich nicht zu übersehen. Wie gesagt, die liebe MX-Gesellschaftskritik. Die hier vielleicht noch zu einem zentralen Punkt der Handlung wird. Ich hoffe nur, Lucy Guth übertreibt es nicht. Die Amazonen kommen den Fanatikern natürlich gerade Recht, als Erklärung für diesen düsteren Weltenwechsel. Hexenwerk!
Dank ihrer Alientechnologie aus dem Fremdwelt-Zyklus haben die Helden einen Scanner für die Parralellwelt-Areale und sind schon auf dem Weg nach Berlin. Im Gleiter ist der Weg von Schottland nach Deutschland nur kurz. Noch fix ein kleiner Gag zum Flughafen BER, dann landen sie. Ich überlese diese Witzchen besser ab jetzt. Sauriermann Ydiel zieht sich einen Kapuzenmantel über, damit erkennt ihn schon niemand. Klaro.
Die Amazonen wurden von berlinernden Polizisten verhaftet. Das wird ja immer schlimmer, jetzt auch noch geschriebener Dialekt. Hier kommt echt viel zusammen, was ich nicht mag. Nur Lalee gelingt die Flucht. Später stößt sie im Heftromanzufall im riesigen und für sie überwältigenden Berlin auf die Helden. Die Amazone erkennt sie nicht einmal, aber einem Bauchgefühl nachgehend verfolgt sie die drei Kapuzengestalten. Natürlich.
Die Amazonen werden verhört. Mittels eines Hexmeters lässt sich außerdem feststellen, ob die Befragten Hex-Körperchen in sich tragen, die ihnen das Zaubern ermöglichen. Großinquisitor Kramer muss zugeben, dass das Hexmeter dieses mal keine eindeutigen Ergebnisse liefert. Noch nicht.
Lalee hat Matt und Aruula inzwischen erkannt und sich ihnen offenbart. Kaum ist das Geschehen, macht die Gruppe direkt Bekanntschaft mit einer Untergrund-Resistance aus Hexen, die Aruulas Lauschsinn irgendwie orten können. Der Plot muss schnell vorwärts gehen, da bleibt keine Zeit für Verschnaufpausen oder natürlichere Übergänge zwischen den Handlungsstücken. So einigen sich die Hexen auch sofort darauf, in das schwer bewachte Hauptquartier der Inquisition einzudringen, um die Amazonen zu befreien, die für sie Fremde sind und die das Risiko eigentlich nicht wert sein sollten. Zumal das Gebäude normalerweise gerade gegen Hexenbrut gut abgesichert sein müsste und vielleicht sogar ihre Kräfte blockieren sollte.
Den Rest kann man sich denken. Die Frage ist nur, wie viele der Hexen bei dieser Mission als Kanonenfutter enden werden. Naja. Ich lese das mal schnell weg, bis etwas Interessantes passiert. Die Rettungsmission gelingt zwar, aber eine Kanonenfutterhexe und der „Dämon“ Ydiel werden gefasst. Amazonen gerettet, Saurermann eingesperrt. Da ist nichts gewonnen.
Großinquisitor Kramer ist in Zugzwang, da er den obligatorischen innerparteiischen Machtkampf mit Kanzler Razinger am Laufen hat. Also lässt er die fremden Heiden ausrufen, um mit ihnen zu verhandeln. Matt und Aruula haben momentan keine andere Option, als darauf einzugehen. Erstaunlicher Weise schluckt Kramer die Wahrheit von einem Tausch der Berlin-Areale und auch, dass Ydiel kein Dämon ist, sondern ein Reptilienwesen aus einem anderen Parallelweltareal. Er will ihn sogar freilassen und mit Matt kooperieren, um die Situation zu erforschen. Die Kanonenfutterhexe will er aber behalten, schließlich ist sie eine gesuchte Rebellin. Auch hier wieder, die Helden können froh sein, dass der Großinquisitor sich so spendabel zeigt. Stattdessen wollen sie diesen tollen Deal platzen lassen, wegen einer fremden Frau aus einer anderen Welt. Ist MX nicht die dunkle Zukunft der Erde? Kann man es sich da erlauben, den strahlenden Ritter gegen das böse Christen-Patriarchat zu spielen?
Indes greifen die paar Amazonen und Untergrundhexen den Reichstag an. Wo im Heftromantiming gerade jetzt eine Sondersitzung des Bundestages stattfindet. Der wird offenbar genau so beschissen bewacht wie das Inquisitionshauptquartier. Passt überhaupt nicht zu so einer faschistisch-militaristischen Theokratie. Aber egal, muss ja für das „Heldenabenteuer der Woche“ passend geschneidert werden. Da hocken die Hexen also jahrzehntelang im Untergrund und können froh sein, dass ihre Berliner Zelle nicht gesprengt wird. Und jetzt stürmen sie mit ein paar zusätzlichen Schwertschwing-Amazonen plötzlich den Bundestag und nehmen Kanzler Razinger als Geisel. Aber natürlich! Ist es bald vorbei, ich mag das nicht mehr lesen.
Matt und Aruula kommt das jedenfalls ganz passend. Nun können sie sich als Vermittler anbieten, um bei Großinquisitor Kramer etwas gut zu haben. Der Plan geht auf und Kanzler Razinger ist zum Glück vernünftiger und gemäßigter als der Großinquisitor. Begnadigung für alle! Die Amazonen dürfen sich hier sogar einrichten, weil sie keine Heimat mehr haben.
Ich weiß ja, dass Lucy Guth gerne solche „besonderen“ Romane schreibt. Ich erinnere nur an den Märchen-Grimm oder die Dschungelprüfungen auf Toxx. Hier haben wir also ein Abbild des echten Berlins von 2019. Mit allerlei Anspielungen und Gags. Viel MX-Humor. Aber auch unterschwellige Kommentare zu realen Ereignissen. Wobei der Autorinnenzeigefinger schlimmer hätte sein können, das stört mich mit am wenigsten. Ich hatte mit mehr Religionskritik, beziehungsweise Kritik am Christentum gerechnet. Hier steht aber der Feminismus und die Kritik am Patriarchat mehr im Vordergrund.
Wie gesagt, der MX-Klamauk ist ein großer Störfaktor. Der andere ist das Handlungskonzept. Die Protagonisten sind strahlende Ritter. Heftromantiming und Heftromanzufall machen die Geschichte erst möglich. Figurenmotivationen und -entscheidungen sind nicht nachvollziehbar. Die dunkle Zukunft der Erde mit Konsequenzen und Kompromissen ist das nicht. Das Gegenteil von Florian Hillebergs Drama-Abenteuern, wo die Helden am Ende eher als Versager dastehen.
Ich habe etwas anderes erwartet. Mehr Kritik am Christentum und erhobener Zeigefinger. Weil mir dafür jedoch ganz andere Dinge nicht gepasst haben, ist es am Ende doch so MITTELmäßig geworden, wie erwartet.

:baff: :baff: :baff: :baff: (6 von 10 Kometen). An sich ist der Roman dann doch flott geschrieben, wie man es von MX gewohnt ist.