Endlich wieder ein längeres Hörspiel vom Gruselkabinett. Es beginnt direkt äußerst verstörend, als der jungen Mary der Schädel geöffnet und das Gehirn mit einer Nadel stimuliert wird, um sie in transzendente Welten eintauchen zu lassen. Das große Mysterium jenseits des Schleiers. Wo die alten Griechen dem Gott Pan nah waren, ein Wissen das vergessen wurde und heute als lächerlich abgetan wird. Sind doch alles Schauergeschichten. Erst weiß man wirklich nicht, ob Dr. Raymond einfach nur irre ist. Fast scheint es so. Natürlich reagiert Mary darauf, dass ihr im Kopf herumgestochert wird, das muss kein Beweis sein. Das bedauernswerte Mädchen endet wie eine Lobotomiepatientin, da sind deutliche Parallelen erkennbar.
Es folgen verschiedene Erzählungen über die nächsten Jahrzehnte. Keine direkten Erlebnisse, diese finden sozusagen Off Hörspiel statt. Es setzen sich vielmehr Leute zusammen und unterhalten sich darüber. Im Mittelpunkt aller Handlungen stehen junge Frauen die scheinbar dem Satan verfallen sind. Die Männer verführen und ganz scheußliche sexuelle Dinge tun. Obwohl sich hier schon erste paranormale Facetten abzeichnen, war ich mir immer noch unsicher, in welche Richtung sich das alles entwickelt.
So folgt Geschichte auf Geschichte. Langsam stellt sich heraus, dass sie sich alle um eine einzige Frau drehen. Natürlich, es ist ziemlicher Zufall, dass die Sprache immer wieder auf diese Themen kommen und die Gesprächspartner genau die passende Geschichte zu erzählen haben. Das kann ich aber gut unter „künstlerische Notwendigkeit“ abtun.
Immer weiter wird die schändliche Verführerin enthüllt, bis man sie zum Finale schließlich zur Rede stellt. Hier bricht die Handlung und wird für mich ein wenig unlogisch. Sie hat paranormale Kräfte, kann sich zum Beispiel in Luft auflösen, und ist keine gute Figur. Wieso sollte sie sich vor den Augen der Protagonisten erhängen? Sie könnte dieser Situation auf mehrere Arten problemlos entkommen und an einem anderen Ort weitermachen. Doch bei genauerer Überlegung ist sie vielleicht selbst nur ein Opfer der dunklen Mächte und gesteht sich endlich ein, dass sie nicht mehr als Marionette dienen will. Der Gott Pan versucht sogar noch einzugreifen – im Todeskampf verwandelt sie sich kurz in eine Satyrin – aber er hat zu wenig Macht über sie. So könnte man die Szene auch auslegen und für mich ist das eine ganz stimmige Erklärung.
In einem Epilog werden dann noch die restlichen offenen Fragen beantwortet. Mary wurde bei ihrer Geistreise wohl vom Gott Pan geschwängert und gebar die animalische Antagonistin der Geschichte. Der Kreis schließt sich, zumindest in dieser Erzählung gibt es das Paranormale eben doch.
Es lohnt sich zu warten. Das hat mich dieses Hörspiel wieder gelehrt. Erst war ich ziemlich skeptisch. Dann davon überzeugt, dass hier nur mehrere ähnliche Kurzgeschichten aneinandergereiht wurden. Erst am Ende ergibt sich ein für mich zufriedenstellendes Bild. Dafür muss ich einiges für mich interpretieren. Vielleicht hat jemand anderes ein komplett gegensätzliches Hörerlebnis. Aber das ist nicht schlecht.
Nur eines zeichnet sich immer deutlicher ab. Dem Gruselkabinett sind die sicheren Kracher ausgegangen, die Garanten für Topwertungen. Bei 150 Literaturvertonungen nicht verwunderlich, da muss man eben mehr in den Nischen nach brauchbarem Material suchen.
Sprecher und Soundeffekte wie immer erstklassig. Die Handlung ist „etwas anderes“ und keine klare zusammenhängende Schauergeschichte mit übersinnlichen Wesen.

:baff: :baff: :baff: (7 von 10 Punkte), ich kann nicht meckern aber auch nicht absolut begeistert sein. Einfach ein schönes Hörvergnügen.
PS. Ich habe mich jetzt nicht über die Hintergründe des Werks informiert oder wie Arthur Machen so drauf war. Wie gesagt, die Geschichte bietet ihren Interpretationsspielraum. Aber das könnte gut ein Pamphlet gegen die aufgeklärte Frau und ihre sexuelle Selbstbestimmtheit sein.