Ophelias Rache .... ist eigentlich Lizzie Siddals Rache ...
Während sich Zamorra und Nicole in Edingburgh mit der Geschichte und den Auswirkungen der Serienmörder Burke/Hare auseinandersetzen müssen, machen Ted Ewigk und Mysati Urlaub in London. Dort bekommen sie es während ihrer Besichtigungstour durch die Metropole mit einem Rachegeist in der Tate Britain zu tun; bzw. sind sie eigentlich nur neugierig, was dort passiert ist.
Durch die Kuratorin des Kunstmuseums Lydia King erfahren sie näheres zu dem Mord, der dort geschehen ist und es lässt den beiden keine Ruhe.
Sie kommen durch einige Hinweise und Überlegungen zu dem Schluss, dass dieser Mord möglicherweise eine Übernatürliche Ursache haben könnte und stellen Nachforschungen an, die sie letztendlich in der Tate zum Geist von Lizzie Siddal in Gestalt der Ophelia führen ...
Als erstes muss ich sagen, dass mir wieder absolut bestens gefallen hat, wie hier Grusel und PZ mit einer historischen Begebenheit verknüpft wurde.
Ich hatte mir dazu gar keine Gedanken gemacht, sondern einfach nur begeistert gelesen, bis ich zu dem Wort "Guggum" kam, das mir so gar nichts sagte.
Also hab ich es nachlesen wollen, vielleicht kannte ich den Begriff ja einfach nur nicht, und bin darüber dann auf die Geschichte der Elizabeth Eleanor Siddal und die Präraffaeliten gekommen

Und genau sowas finde ich immer echt faszinierend!
Nicht nur aus dem Grund, dass hier wahre Geschichte stimmig mit unseren fiktiven "Dämonenjägern" kombiniert wurde, sondern auch oder ganz besonders das Einfühlungsvermögen der Autorin, sich in diese geschichtlich verankerten Protagonisten wie Hunt, Millais, Rossetti oder Lizzie Siddal hineinzuversetzen und ihr Leben, ihre Gefühle, Gedanken, Erlebnisse, etc. glaubhaft auszuarbeiten und darzustellen ... und zu einem unheimlichen Fall werden zu lassen.
Zu den Ereignissen aus der Vergangenheit gab es dann immer im Wechsel die Szenen, in denen Ted und Mysati herauszufinden versuchen, wer oder was den armen Museumswächter George Abbott den Kopf gekostet haben könnte. Schließlich deutete nichts darauf hin, dass sich dort jemand eingeschlichen hatte, geschweige denn mit einer Waffe hantierte, mit der man solch eine Gräueltat durchführen konnte.
Also schleichen sie sich selbst in die Tate ein, um den Tatort zu besichtigen und dabei trifft besonders Ted auf einen weiblichen Geist, der ihn für jemand anderen namens Gabriel hält und ihm schließlich, durch die magische Beeinflussung eines Gemäldes, drei mit Speeren bewaffnete römische Soldaten auf den Hals hetzt.
Mysati kann ihm gerade noch bestehen, bevor Schlimmeres passiert.
Anschließend überlegen sie, was es mit dem weiblichen Geist, der Ted wage bekannt vorkam, auf sich haben könnte.
Mysati zieht anhand Teds Beschreibungen der Situation im Museum die richtigen Schlüsse, da sie dadurch auf einen Tipp im Reiseführer kommt, in dem von Shakespeares Ophelia die Rede ist. Und die Entstehungsgeschichte dieses Gemäldes von Millais lässt die beiden vermuten, dass das der Grund ist, weswegen Lizzies Geist die Gestalt der Ophelia angenommen hatte.
Zudem hatte Lizzie sich vor dem Unfall in der Badewanne sehr in die Figur der Ophelia hineinversetzt, um so original wie möglich zu sein ... und vielleicht auch, weil sie sich und ihr Leben ein wenig mit dem der Ophelia, die dem Wahnsinn aus verzweifelter Leidenschaft verfiel, verglich. Im Prinzip erging es ihr mit Dante Gabriel Rossetti ähnlich, wobei ihre Abhängigkeit zum Laudanum noch dazu kam.
Nachdem Ted und Mysati nicht mit Zamorra rechnen können, wollen sie selbst etwas gegen den Rachegeist unternehmen. Sie schleichen sich erneut ins Museum ein und machen eine weitere Entdeckung ... Lizzie erscheint und erzählt etwas von einem Liebesbeweis, der ihr genommen wurde.
Rossetti hatte 1862 bei Lizzies Tod sehr persönliche Gedichte mit in ihr Grab gelegt. Sie sollten nur für sie sein und er verzichtete dafür, entgegen seiner sonstigen Gewohnheiten, auf den Ruhm.
Doch irgendwann hatte er es sich doch anders überlegt und die Gedichte wieder aus dem Grab holen lassen. Lizzies Frieden wurde dadurch empfindlich gestört, weil dieser Liebesbeweis genau das war, was ihr zu Lebzeiten gefehlt und wonach sie sich gesehnt hatte.
Dadurch hatten Gabriels Séancen auch erst keinen Erfolg, denn ihr Geist war ja mit den Gedichten in ihrem Grab erst noch zufrieden und irrte nicht rastlos und besessen von Rache umher.
1870 änderte sich das und sie erschien ihm, um ihn zu bestrafen ... denn 1869 hatte er ihr den Liebesbeweis wieder weggenommen und das Grab öffnen lassen.
Dieser "Diebstahl" geschah auch in Wirklichkeit und man wunderte sich darüber, dass sich Lizzies Haar um die Papiere gewickelt hatten. Als die eigentlich geheim gehaltene Exhumierung doch ans Tageslicht kam, erzählte man als Ablenkung unter anderem, dass das rote Haar der Toten weitergewachsen wäre und den ganzen Sarg ausgefüllt hätte.
Auch im Roman wurde erwähnt, dass das Haar noch immer seine rote Farben besaß ... und der Sarg im Gegensatz zu den Knochen noch nichtmal ansatzweise zerfallen war.
Und gerade in einem Gruselroman passte das hervorragend hinein, denn etwas unerklärbar Mystisches darf bei einer Geistergeschichte ruhig zurückbleiben ...
Lizzie reicht am Ende EIN Gedichtband, um ihren Frieden wiederherzustellen.
Ist auch irgendwie logisch: es ist die Symbolik, die zählt. Gabriel fiel in sein altes Muster zurück, stellte seine Kunst wieder über die Bedürfnisse seiner Frau und nahm ihr den größten Liebensbeweis, zu dem er jemals fähig war .... und nun hat sie ihn zurück. Ich denke auch nicht, dass ihr Geist sich darum gekümmert hat, ob es noch weitere Gedichtbände davon gab oder nicht. Ihr ging es schließlich um diesen speziellen Akt, den Liebesbeweis. Der wurde ihr genommen ... und nun zurückgegeben, so dass sie wieder Frieden finden konnte.
Mir hat der Roman sehr gut gefallen! Besonders die Passagen der sehr lebendig ge- und beschriebenen Figuren der Lizzie Siddal und Dante Gabriel Rossetti, sowie die Kunst, Wahrheit und Grusel-Fiktion miteinander zu verbinden und zu einem stimmigen Ende zu bringen.
Außerdem war hier durch das Telefonat Ted/Zamorra der Gegenpart zur vorangegangenen Story gegeben.
Eine Sache hätte mich noch interessiert: wie hat Mysati sie ungesehen ins Museum gebracht? Welche Fähigkeiten hat sie denn eigentlich? Da ich nur weiß, dass sie mal "die Herrscherin der Kuppel" war (und noch nichtmal, von was für einer Kuppel), hab ich da wohl in Sachen Mysati noch etwas Nachholbedarf^^
Außerdem tat sich mir anfangs noch die Frage auf, warum Lizzie erst jetzt in der Tate rumspukte und Rache wollte ...
Immerhin hatte sie ihrem Gatten doch angedroht, dass sie ihn bis zu seinem Lebensende heimsuchen würde und ihn noch darüber hinaus an sich binden wollte. Irgendwas scheint da nicht geklappt zu haben ... Fast 130 Jahre später erscheint sie erst wieder. In der Tate. Um Gabriel für seinen Frevel ihr gegenüber zu bestrafen. Hat sie denn nicht bemerkt, dass sich der zweite Teil ihres Plans nicht erfüllt hat, Gabriels Seele auch nach seinem Tod noch zu quälen, an sich zu binden?
Doch dann dachte ich
"Was für ein Quatsch, darüber nachzudenken" ... Wenn irgendein Geister- oder Dämonenjäger irgendwann mal irgendwie eine Lösung oder einen
Ghost-Seismographen, etc. am Start hat, der netterweise anzeigt, WANN Geister WARUM und WIE irgendwo rumzuspuken gedenken, DANN kann man sich Gedanken darüber machen, warum jetzt, warum nicht schon früher, etc., weil es dann beleg- und nachvollziehbar wird.
Geister sind launenhaft, unberechenbar, nicht wirklich zu durchschauen ... also spuken sie, wann immer es ihnen passt! Und hier passte es Lizzie eben jetzt ... als Ted und Mysati Urlaub machten ... als George Nachtdienst schob und unglücklicherweise zur falschen Zeit im falschen Raum war ... als Ted den Raum in Augenschein nahm, in dem Millais' Bild der Ophelia hing, dargestellt durch Lizzie Siddal, der es vor Enttäuschung nach Rache gelüstete ....
Und ich wurde bestens unterhalten, weswegen diese geisterhafte Story
9/10 Amuletten bekommt

:thumbup:
Das Cover hat was, auch wenn es "nur" in Grundzügen dem Inhalt des Romans entspricht.
Aber man weiß ja nicht, was zuerst da war: das Bild oder die Story? Trotzdem gibt es einen Zusammenhang und es wirkt für sich!

:thumbup:
Die
Mystery Times ist auch wieder interessant, denn man bekommt eine Art Interview mit dem Cover-Künstler Dennis Simcott zu lesen (irgendwie kommt mir der Name bekannt vor ... FB oder so?? *grübel)
Und damit bekam ich dann, neben anderen lesenswerten Einblicken, auch direkt schon eine Antwort auf die Frage, was zuerst da war ... Cover oder Story
Sehr schön! :thumbup: