VHR Band 432: Weiße Hexe, schwarze Seele von Georges Gauthier
"Ich habe keine Lust mehr", sagte Gina Pichotta. Ihre Stimme klang heiser. "Ich habe für heute die Schnauze voll!" Sie nieste kräftig. Ihre Kollegin Franca Desussi sagte voller Teilnahme: "Man merkt's. In diesem Zustand bist du eine Gefahr für die Volksgesundheit. Bring deine Bazillen ins Bett, sonst geben sie morgen in Rom Seuchenalarm." Für römische Verhältnisse war es ziemlich kühl. Die Kleidung der Frauen, die am Rand der Via Veneto auf Kunden warteten, setzte dem frischen Wind keinen nennenswerten Widerstand entgegen. "Ich geh' nach Hause." Gina wirkte noch etwas unentschlossen. Die schaute durch die engstehenden Häuser zur Hauptstraße. Vielleicht kam doch noch ein Kunde, und es lohnte sich, den Entschluß rückgängig zu machen. "Es ist ohnehin schon ziemlich spät, und das Geschäft ist mies." "Nimm dir ein Taxi", schlug Franca vor. "Ich bleib' noch eine Stunde, dann mach' ich hier Schluß."
Verfasst von Georges Gauthier (= Walter Mauckner)
Titelbild von
Erschienen am 26.05.1981