„Wir betrachten die Bundesliga nicht als ein Abenteuer“
Torsten Lieberknecht spricht im Interview über Neuzugänge, die sportlichen Chancen der Eintracht und eine Rasenheizung auf dem Trainingsplatz.
Für die Fußball-Profis von Bundesliga-Aufsteiger Eintracht Braunschweig beginnt an diesem Sonnabend die Sommerpause. Zuvor sprach Trainer Torsten Lieberknecht mit den Sportredakteuren Hans-Dieter Schlawis und Thomas Fröhlich.
BZ: Herr Lieberknecht, im Champions-League-Finale stehen sich in Wembley Bayern München und Borussia Dortmund gegenüber, zwei Bundesligisten. Werden Sie das Spiel mit anderen Augen verfolgen, weil ihre Mannschaft in der nächsten Saison mit den beiden Finalisten in einer Liga spielt?
TL: Nein. Ich schaue mir das Spiel ganz entspannt und unbeteiligt im Fernsehen an, etwa so wie ein Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft. Ich hoffe, es wird ein schönes, spannendes Finale.
BZ: Sie haben die zweite Bundesliga kürzlich als ein Haifischbecken bezeichnet. Was erwartet Eintracht im Vergleich dazu in der ersten Liga?
TL: Das muss man differenziert betrachten. Das wird in allen Dimensionen für den Verein nochmals gesteigert. Wir müssen uns in allen Bereichen – sportlich und organisatorisch – auf große Dinge einstellen. Wir müssen unsere individuelle Qualität nochmals erhöhen.
BZ: Welche Rolle kann Eintracht im Konzert der Großen im deutschen Fußball spielen?
TL: Wir wollen, wie wir es schon in den vergangenen Jahren aus unserer Sicht gemacht haben, ein unbequemer Gegner sein. Und wir wollen überraschen. Jeder in Braunschweig und in ganz Deutschland weiß, dass dazu nochmals eine große Steigerung nötig ist. Aber, wir haben uns die Suppe selbst eingebrockt, jetzt müssen wir sie auch auslöffeln. (lacht)
BZ: Was kommt auf die größtenteils bundesliga-unerfahrenen Spieler der Eintracht zu?
TL: Wir treffen auf Mannschaften, die seit Jahren in der Bundesliga sind. Die kennen die Umstände viel besser als wir. Wir müssen schnell lernen. Das ist der nächste Schritt für meine Mannschaft. Die entscheidende Frage ist, wie schnell wir uns dem Niveau anpassen. Die Spieler müssen sich im technisch-taktischen Bereich und auch als Persönlichkeiten weiter entwickeln. Das ist eine neue Dimension.
BZ: Wie muss Eintracht sich mit Neuzugängen verstärken, um in der Bundesliga mithalten zu können?
TL: Es gibt drei, vier Jungs, die ich unbedingt noch bei uns sehen möchte. Das gilt für alle Mannschaftsteile außer der Torwartposition. Wir beobachten Spieler unabhängig von unserer Ligazugehörigkeit. Marco Caligiuri, unseren ersten Neuzugang, hätte ich auch beim Nicht-Aufstieg gerne gehabt. Wir haben gezeigt, dass wir auch mit einem engeren Budget als andere gute Leute verpflichten können.
Der Markt ist teils auch kleiner geworden, weil andere finanzkräftiger sind als wir. Aber Dinge, die wir nicht eingehen können, wollen wir auch nicht eingehen. Ich hoffe, dass wir unsere Pläne realisieren können. Der Rest ergibt sich in der Vorbereitung.
BZ: Was muss sich im Umfeld verbessern?
TL: Der größte Neuzugang für mich wäre eine Rasenheizung für den Trainingsplatz. Das hätte große Bedeutung, damit wir konkurrenzfähig sind. Zuletzt war es doch oft so, dass wir aus dem Trainingslager mit optimalen Bedingungen zurück kamen und zu Hause nicht so weiter arbeiten konnten wie wir uns das wünschen. Auf Schnee und Eis war richtiges Training einfach unmöglich.
BZ: Die Fans im Eintracht-Stadion rufen schon nach dem Europapokal...
TL: Ach, das ist die pure Freude. Unsere Fans besitzen eine feine Ironie. Das belastet uns nicht. Aber wir betrachten die Bundesliga nicht als ein Abenteuer. Unser Anspruch ist es, dass wir uns wie bisher in jedem Jahr weiter entwickeln. Es ist ein Geschenk für den Verein, dass wir in der Liga spielen. Es gibt die große Chance, aus diesem Jahr sehr viel rauszuschöpfen.
BZ: Wie muss sich der Stil des Eintracht-Spiels ändern?
TL: Wir waren bisher sehr fokussiert auf uns und die zweite Liga. Ich werde nach dem Urlaub eine Woche lang sehr viele Bundesligaspiele anschauen und Informationen sammeln. Dann werden wir analysieren, was man braucht.
Klar ist, wir müssen flexibel sein und uns weiter entwickeln.
BZ: Die Bundesliga gilt als die stärkste Liga der Welt. Erfüllt es Sie mit Stolz, in der Klasse mitzuspielen?
TL: Das macht schon stolz. Wir sind genau in dem Moment dabei, in dem die Champions-League-Finalisten aus Deutschland kommen. Wir sind dabei in der Zeit, in der der deutsche Fußball international für Aufsehen sorgt. Das ist super und eine große Herausforderung für uns. Aber wir werden nicht herangehen und sagen, „wir genießen das Jahr“. Wir werden gewappnet sein. Die Bundesliga ist keine Wellnessreise.
BZ: Was bedeutet die Entwicklung für den Verein?
TL: Es war ein Wahnsinnsjahr für Eintracht. In dieser Saison sind ja nicht nur wir aufgestiegen. Die Hockey-Spielerinnen haben ebenfalls die Bundesliga erreicht. Die U 23 spielt nächste Saison in der Regionalliga, die U 17 hat den Bundesliga-Aufstieg geschafft und die U 19 kann den auch noch erreichen. Es besteht die Möglichkeit, dass alle Mannschaften in den höchsten Ligen spielen.
Eintracht ist attraktiv für junge Nachwuchsfußballer. In der U 19 und der U 17 sind vier bis fünf gute Spieler, da habe ich richtig interessante Jungs gesehen. Da haben die Trainerteams klasse Arbeit geleistet. Unser Leistungszentrum im Kennel hat sich schon prächtig entwickelt. Da sind wir auf einem sehr guten Weg.
Unser Ziel bleibt es, aus dem eigenen Nachwuchs Spieler zu entwickeln, die uns auch in der Spitze helfen können.
Quelle:
http://www.braunschweiger-zeitung.de/sp ... 17088.html