Mark Benecke/Florian Hilleberg - John Sinclair - Brandmal

Antworten
Isaak S. Offline
Beiträge: 354
https://pl.pinterest.com/kuchnie_na_wymiar_warszawa/
Registriert: Sa Mär 10, 2018 10:06 pm

RE: Mark Benecke/Florian Hilleberg - John Sinclair - Brandmal

Beitrag von Isaak S. »

Das Ereignis
Menschen in London und Berlin gehen in Flammen auf. Jane Collins wird Augenzeugin. Tanner ruft Suko und John. In Deutschland wird Harry Stahl hinzugezogen. Nach langer paralleler Ermittlungsarbeit klingelt dann in London das Telefon (S. 140) und Harry informiert John. Nach beidseitigem Staunen geht es dann für John und Jane (ohne Beretta oder Suko!) in die Slowakei auf Vampirjagd.

Feuer
Das Brandmal hält, was es verspricht. Es beginnt mit brennenden Körpern und es endet mit der Verbrennung von Vampiren in einer alten Kirche. Die Geschichte war einerseits absolut Retro: John und Jane mussten ohne Suko, ohne Harry Stahl, ohne Waffen in die Slowakei reisen. Pfähle mussten eigens angefertigt und Weihwasser hergestellt werden. Andererseits war die Geschichte höchst experimentell: Mit Mark Benecke bekam der Text ein dokumentarisches Element und die Jagd auf Vampire wurden kriminal-biologisiert. Eigentlich eine runde Sache.

Erwartungen
Ich war von der Geschichte ein bisschen enttäuscht, was aber damit zu tun hatte, dass ich andere Erwartungen hatte. Ich hatte gedacht/gehofft, dass IRH eine große Geschichte erzählen würde, die die Fäden aus der aktuellen Serie zusammenführt. Es war aber eine einzelne, abgeschlossene Geschichte, die lose mit den klassischen Töchtern der Hölle (GK 38; Sinclair 7) verbunden ist. John erzählt Jane davon, dass er es einmal mit einer Erbin der Lady Báthory zu tun hatte (S. 176). Aber hieß die nicht eigentlich Barthory? Jedenfalls geht es um die historische Báthory oder besser gesagt um ihren Vampirgeist. Es geht aber auch um die Vampirrasse der Nelapsi, um Vampirmücken und um eine Kreatur der Finsternis. Mir wurde das so ab Kapitel 38 (S. 373) manchmal etwas viel. Einer KdF und den Nelapsi hätte die Geschichte gar nicht bedurft. Es war mit dem Vampirgeist der Báthory eigentlich genug dämonische Kraft vorhanden für eine geschlossene Geschichte. Als es dann aber plötzlich auch noch um AEBA und Eurynome geht (S. 456) konnte ich nicht mehr folgen. Warum so ein großer Kontext? Und warum das offene Ende mit Tina? Soll das Benecke-Team auch in der Serie auftauchen? Oder war das einfach nur dafür da, um den Effekt eines offenen Endes zu erzwingen? Somit wurde die Geschichte dann etwas zu groß, obwohl sie doch gerade schon groß und grandios genug war: eine Kirche voller Vampire brennt (Kapitel 45; S. 448 ) und John besiegt in Gespensterkrimi-Ästhetik mit einem Benzinfeuerzeug die KdF Milan Kovác (S. 446). Ich finde, das reichte.

Abneigung
Am meisten litt meine Lektüre aber unter einem persönlichen Problem. Ich wurde so gar nicht mit dem Benecke-Team und seinem Verhältnis zum Sinclair-Team warm. Und wenn man wenig Sympathie für die Sympathieträger hat, wird es schwierig. Letztlich ist das aber sicherlich Geschmackssache und eine Frage der Identifikation. In literarischer Hinsicht verstehe ich eine Sache aber überhaupt nicht: Wieso wurde Mark Benecke in den Rang des Co-Autoren erhoben? Und wieso wurde IRH zum Co-Autoren Florian Hilleberg? Zumindest im Fall von Benecke sehe ich nicht, wieso auch er Autor dieser Geschichte sein soll. Hatte er mitgeschrieben?
Auf mich wirkte die Mitwirkung des Benecke-Teams eher unwichtig. Sie konnten ermitteln, dass die Schnittmenge der Brandopfer in der Slowakei lag = Das hätten auch John und Harry herausfinden können. Sie stellten fest, dass die Gefahr von Mücken-Mutanten ausging = Nachdem die Mücken angegriffen hatten, war das eh schon klar geworden. Ihre große Rolle für die Geschichte wirkte auf mich zu konstruiert. Ich hätte (offen gesagt) auch komplett auf sie verzichten können.

Slowakei
In einer Hinsicht funktioniert das Retro-Element des Brandmals nicht: Priehrada ÄŒachtice ist sicherlich ein abgelegenes Dorf, aber dass es dort wochenlang keiner staatlichen Behörde einfällt, in den Fällen der SHC zu ermitteln, ist anachronistisch. Selbst als die Einwohner von den Vampirmückenstichen geheilt sind, fällt es keinem ein, Hilfe und Aufmerksamkeit von außen zu rufen. Erst als die Kirche in Flammen aufgeht ist in Windeseile Feuerwehr und Polizei zur Stelle. Priehrada ÄŒachtice wirkte daher trotz seines vielen und netten Lokalkolorits auf mich eher wie eine stereotypisierte Fantasiegeburt und nicht wie ein vollwertiger Handlungsort. Scotland Yard und das BKA waren bereits involviert. Daher wollte es mir nicht in den Kopf, warum John privat in die Slowakei reisen muss. Diese Minimalisierung der Vampirjagd ohne Beretta und Suko macht auf jeden Fall Sinn und Spannung. Der Hintergrund aber war konstruiert.
Abgesehen von diesen qualitativen Mängeln aber entwickelt sich eine kampfbetonte Handlung, die in einem großen und grandiosen Finale kulminiert. So gesehen macht die Vampirjagd und die Vernichtung der KdF sehr viel Spaß!

Horror-Tätowierer
Das Suko-Solo gegen den Tätowierer Timothy Church war für mich der uneingeschränkte Höhepunkt im Brandmal. Warum dieser Faden aber überhaupt aufgenommen wurde, erscheint seltsam. Und in Kapitel 33 (S. 331) endet dann auch schon das Suko-Solo und wird nicht mehr mit der eigentlichen Handlung zusammengeführt. Noch nicht einmal ein Telefonat mit Suko gibt es zum Schluss. Somit ist es zum einen eine überragende Kurzgeschichte mit starker Spannung; andererseits hatte sie mit dem Brandmal überhaupt nichts zu tun.

Meine Lektüre
Es war alles andere als langweilig. Bei hohem Lesetempo waren die 463 Seiten ein schönes Abenteuer. Und dennoch fragte ich mich hinterher, ob man die Geschichte nicht auch als Zweiteiler in der Romanserie hätte bringen können (ohne Benecke!). Wie dem auch sei, ich hoffe und ich wünsche mir, das IRH seine nächste Sonderedition allein oder mit einem der anderen Neu-Autoren (Oliver Müller, Stefan Albertsen) gemeinsam schreibt und dann bestimmte Fäden der Serie zusammenführt (Lykaon/Layton, der Vermummte).

Alles in allem war das Brandmal eine gute Geschichte, die mit ihrer Mischung aus Retro und Experiment durchaus zu gefallen weiß.
Am Anfang war... - Was war nochmal am Anfang?
Antworten

Zurück zu „Sonstige Bücher“